von Markus Golletz
Interview Guido Kurzbach Mayschoß
Schnipsel: Guido Kurzbach und Johann Ostmeyer
Guido Kurzbach
Campingplatz Burgwiese
Inh. Helga Dettmann
wohnt in Sinzig und Mayschoß
Jahrgang 1966 (2021:55J)
Ich treffe Guido den Geschäftsführer des Campingplatz 'Burgwiese' in Mayschoß. Sein Campingplatz ist der Einzige, der die Flut halbwegs überstanden hat. Aber auch hier gab es Schäden. Nun droht auch noch eine andere ‘Gefahr’: der Pachtvertrag soll womöglich nicht verlängert werden, weil es neuerdings Pläne gibt auf dem Platz zu bauen.
Der Platz liegt 30 Meter über dem regelmäßigen Pegel der Ahr und wurde daher nicht direkt überflutet. Warum dennoch unfassbare Mengen an Wasser in jener Nacht über den Platz liefen, erklärt er uns in einem Gespräch.
“Keiner glaubt dir, dass du rausguckst und dort 5 Meter Wassersäule hast.”
Markus: Gab es bei dir hier oben auch Überschwemmungen?
Guido: (Geht mit mir über den Platz und zeigt mir Stellen, an dem Öl aus dem Boden austritt) Ja! Hier stand das Wasser auch fast einen halben Meter hoch! Es kam die Wege runtergeflossen und hat mein Sanitärhaus komplett überflutet. (Man sieht an den Gebäuden eine Streifen, der den Pegelstand markiert. Überall stehen verschlammte Waschmaschinen und Elektrogeräte herum.)
Das Wasser hat sich unten im Tal wegen der vielen Baumstämme vor den Brücken gestaut. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht. Hier waren zwei riesengroße Hechsler tagelang tätig. Überall war belastetes Holz, vieles mit ölhaltigen Flüssigkeiten kontaminiert. Bei uns kamen die Wassermassen von oben aus den Weinbergen und aus einem angeschwollen, kanalisierten Bach!
Besonders in Ahrweiler gab es schlimme Müllverschmutzungen und Verwesungsgeruch: alles wurde erstmal einfach rausgeschmissen auf die Straßen!
Markus: Hast du hier Hilfe erfahren?
Guido: Die Spenden waren irre, das war der Wahnsinn, das war unfassbar! Ich habe hier alles neu oder gebraucht bekommen, neuwertige Waschmaschinen, neuwertige Trockner, die Spendenbereitschaft — das war der Hammer!
Markus: Was ist mit den anderen Campingplätzen passiert?
Guido: Die ‘Burgwiese’ ist der einzige Campingplatz der benutzbar ist, aber es kommt keiner. Alle anderen werden oder wurden planiert. Dort gab es Tote. Alles ist weggespült. Das Wasser hatte ja mitten in der Nacht seinen Höchststand.
Markus: Warum kommen noch immer keine Gäste?
Guido: Viele denken an Katastrophentourismus. Und wir sind noch nicht wieder gut zu erreichen. (Anmerkung Dezember '21: Es kommen mittlerweile immer noch Helfer. Handwerksfachleute sind gefragt. Einigen wenigen Touristen kann Guido mittlerweile wieder Unterkunft gewähren. Die Zufahrt zum Platz ist frei, auch wenn Mayschoß nur über Umleitungen zu erreichen ist.)
“Ich kann nicht hier oben gemütlich sitzen und Grillen und unten ist das Chaos.”
Es kommen Helfer und auch welche, die Flutwein kaufen. Früher ist hier niemand ohne mindestens einer 6er-Kiste Wein weggefahren.
Ich bin zurzeit ohne nennenswerte Einnahmen, weil ich nur Obdach gewähre und Fluthelferinnen unterbringe. Das geht auf Spendenbasis.
Markus: Hast du Ausgaben oder hat man dich freigestellt?
Guido: Die Telekom hat noch eine zeitlang trotz nichtexistierender Leitungen Geld eingezogen, beim Strom konnte ich den Abschlag heruntersetzen lassen. Leider gibt es hier den sogenannte Einwohnergleichwert, der pro Parzelle 20 € und pro Kneipengast etc. jeweils 20 Euro an pauschaler Abgabe pro Jahr verlangt. Trotz 14 Monate Corona (bisher) und der Flut wurden diese Werte nicht angepasst oder ausgesetzt.
Markus: Das hört sich nicht gut an.
Guido: Es kommt noch dicker: Von unserem Ex-Bürgermeister höre ich, das auf dem Campingplatz gebaut werden soll. Mein Pachtverlag verlängert sich automatisch nur um ein Jahr, wenn nicht gekündigt wird. Früher wurde der auch mal um 10 oder 15 Jahre verlängert, das gibt Sicherheit für Investitionen auf dem Campingplatz und für unsere Existenz bis hin zur Altersvorsorge. Die habe ich zurzeit nicht.
Vermutlich mehrere Neubauflächen in Mayschoß entstehen. Die 'Burgwiese ist auch avisiert, aber nichts genaues weiß man nicht. Nur ist unser Platz ungeeignet, wie die Flut zeigt, aber das scheint kein Grund zu sein es nicht zu tun. Vielleicht hat es auch mit dem Verpächter dem Fürsten von Arenberg zu tun. Hier sind viele Baugrundstücke gekennzeichnet, ja sogar genehmigt worden, aber es ist nie gebaut worden. Heute sind da Weinberge drauf. Es gibt hier ein vereinfachts Genehmigungsverfahren für Grundtücke größer als 12.000qm mit angrenzender Bebauung.
Bei mir gibt es Feuersalamander, seltene Vögel, aber das interessiert nun keinen […]. Nun soll gebaut werden. Warten wir es mal ab.
Markus: Was wirst du dann machen?
Guido: Überleg mal, wie alt ich bin. Ich werde wohl nichts Neues mehr anfangen... Aber warten wir es erstmal ab!
Markus: Was passiert aktuell, ich habe im Ort mobile Heizkraftwerke und Stromversorgungs-LKW gesehen.
Guido: Ein Blockheizkraftwerk (BHKW) für Mayschoß ist neuerdings in Planung, dann gab es noch so eine Studie ‘Heimkonzept’, bei der für banale Fragebögen viel Geld ausgegeben wurde. Das Ergebnis: Sonnenkollektoren und BHKW sollen kommen. (lacht) Hätten wir denen gleich sagen können!
Markus: Gibt es ein Umdenken nach der Flut?
Guido: Kaum. Es sind alle mit sich selber beschäftigt. Der Landrat Jürgen Pföhler (CDU) steht nun vor Gericht. Gegen ihn wird wegen des ‘Verdachts der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen’ ermittelt (in der Zwischenzeit ist er ab dem 31.10.21 aus gesundheitlichen Gründen in den ‘vorzeitigen im Ruhestand’ gegangen).
Ich habe gehört, Landrat Pföhler war zur Zeit der Sitzung im Sternerestaurant essen in Walporzheim.
Es ist nicht gewarnt worden - Null. Die Bürgermeister der oberen Ahr hatten sich gemeldet, die Ahr fließe sehr schnell, das beunruhigte sie, aber sie konnten niemanden erreichen.
Umdenken? Ich glaube, viele haben noch keine klaren Gedanken fassen können, sind zu beschäftigt mit Versicherungen, Unterkunft und Aufräumarbeiten. Die Klimakrise ist da erstmal zweitrangig.
Markus: Wird unten am Fluss wieder gebaut werden und wie sieht es mit der Solidarität aus?
Guido: Die Leute kamen von überall. Ich bin angerufen worden, es gab viel Solidarität, es verbreitet sich eine Art Volksfeststimmung unter den Helfenden, nachdem man die Lage im Blick hatte. Die Helfer kamen von überall, niemand hatte hier aktiv dafür geworben.
Markus: Die Querdenker kamen auch und sollten sich medienwirksam präsentiert haben?
Guido: Ich habe von den Querdenkern gehört, die hatten in der Grundschule in Ahrweiler so einen Laden. Für mich waren sie unauffällig. Aber man weiß ja nicht, wie es anderen erging. Ich glaube, die wurden dann aus der Schule rausgeschmissen.
“Den Flutgeschädigten und Helfern ist es ziemlich egal, wer hier was organisiert hat”
Markus: Was muss sich ändern nach so einer Katastrophe?
Guido: Die Warnkette muss funktionieren. In Sinzig sind 14 Behinderte in einer Einrichtung ertrunken, das war schlimm und geschah, weil die Warnkette nicht funktionierte. Hätte man gewarnt, hätte man 3-4 Stunden Zeit gehabt und alle hätten leben können. Das geht mir sehr nah.
Die Zusammenhänge sind auf jeden Fall da, ich würde sagen, die Erkenntnis ist da. Aber was soll man tun, wenn man plötzlich 5 Meter mehr Wassersäule als normal hat? Uns ist klar, viele Erkrankungen nehmen wegen zu wegen des Klimas, aber jeder macht hier was im Kleinen.
Ich zum Beispiel bin Fleisch-Fan, ich kaufe neuerdings nur noch beim Metzger, ich esse nicht mehr so oft Fleisch. Ich fahre Hybrid, ich bin aber kein Freund von reinen Elektrowagen, weil sie global kein CO2 einsparen. Wasserstoff müsste nach vorne gebracht werden.
Warst du mal in Ahrweiler? Die gesamte Stadtmauer stand unter Wasser. Was will'ste machen? Willst du sagen, in Ahrweiler darf nicht mehr gebaut werden? Dann gäbe es auch kein Holland mehr!
Die Ahr fließt sehr schnell, du hast da wenig Zeit zu reagieren, ich weiß auch nicht, was man machen kann, du kannst ja nicht überall 6 Meter höher erst anfangen zu bauen, vielleicht muss man einfach in den unteren Geschossen darauf eingestellt sein.
Markus: Was wünscht du dir von der Politik?
Guido: Das man mehr mit gesundem Menschenverstand rangehen — und bitte keine Schnellschüsse mehr!
Viele sind jetzt schon weggezogen deswegen, die ältere Generation wird auch keinen Neustart mehr wagen, keine teure Heizungsanlage mehr kaufen wollen. Es gibt hier einen Edgar Baumeister, der bietet sich an für viele diesbezüglich den Schriftkram zu machen …
Markus: Ich bin gespannt wie es weitergeht. Ich habe hier auch viel Vertrauen genossen, eingekauft ohne zu bezahlen, wurde versorgt, vielen Dank! Auch für das Gespräch!
Guido: Gerne, komm einfach wieder!
Video mit Musik Durchfahrt Ahrtal Oktober 2021