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Macron & Le Pen im Royatal: Frankreich hat gewählt

Saorge ist rot. Ehemals kommunistisch sogar. Deswegen tut sich die sonst so nationalistische Region Südfrankreich oder das Departement Alpes-Maritimes so schwer darin, bei der Präsidenten-Stichwahl überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Mit ihren 500 Wahlberechtigten fällt Saorge im Royatal nicht weiter ins Gewicht, doch eine kleine auffällig gelbe Insel im sonst so düster Marine Le Pen blauen Departement Alpes-Maritimes gibt es doch. Auch in Tende und Breil-sur-Roya waren die Wahlergebnisse eher knapp, beinahe unentschieden. Nur Antibes und Nizza sind traditionell eher links oder liberal.

Wir kommt es nur, das eine Region jemanden wählen möchte, der egalitäre Grundsätze Frankreichs und der Europäischen Union mit Füßen treten möchte? Oder ist das alles ein Missverständnis, fühlt man sich nur unverstanden, benachteiligt, ist es der Einfluss der Gelbwesten-Bewegung, der gekapert wurde? Für Macrons 'Reformpolitik' sind unter Ihnen nicht viele gewesen, auch wenn es jetzt wie in anderen Ländern Europas den Ukraine-Sprit-Zuschuss gab und Geld für die Ärmsten. Damit konnte sich ein neoliberaler wie Marcon sicherlich, wenn auch nur temporär, gerade richtig vor der Wahl, einige Stimmen erkaufen. Macron hat anscheinend nur in den Metropolen zugelegt, Le Pen hat im Vergleich zu 2017 erhebliche Stimmengewinne im Süden Frankreichs, in der Fläche zugelegt. Besonders viele. 16.6 Millionen Wahlberechtigte ließen ihr Wahlrecht bei der Stichwahl verfallen oder wählten ungültig.

16,6 Millionen verfallene oder ungültige Stimmen 2022

Ein Zeit-Artikel berichtet jedenfalls im April 2022, was die Sozialisation in Saorge im Royatal angeht: Hier gab es kommunistische Eisenbahner und Bauarbeiterinnen, zugereiste weltoffene Künstlerinnen, die eine besondere demografische Struktur mitbrachten. Refugees welcome Schilder und Jean-Luc Mélenchon Zustimmung (LFI) sind in Saorge besonders groß, das strahlt wahrscheinlich von Cedric Herrou's Camp Saorgin bei Breil-sur-Roya herüber. Man hatte auf einen Wechsel zu einer humaneren Politik gehofft, sagt dort Véronique Courty, die bei der Stichwahl natürlich keinen passenden Kandidaten finden konnte.

So haben also viele mit Macron bei der Stichwahl das 'kleinere Übel' wählen wollen, oder eben nicht können, was das Wahlergebnis, Enthaltungen und ungültige Stimmen erklärt.

Zeit.de am 24.4.2022:

"Die Küstenstädte am Mittelmeer empfingen in den Sechzigerjahren viele Franzosen, die nach der Unabhängigkeit aus den ehemaligen Kolonien und Protektoraten Algerien und Marokko kamen, eine tendenziell nationalistisch, konservativ wählende Gruppe. Nach Saorge hingegen flohen rund 30 Jahre zuvor Kommunisten vor dem faschistischen Mussolini-Regime aus dem direkt angrenzenden Italien. Auch Mitarbeiter der Staatsbahn SNCF rückten das Dorf vor langer Zeit nach links: Tausende, meist kommunistisch organisierte Arbeiter legten zuerst über viele Jahre lang die Gleise durch das schroffe Tal [...]" von Annika Joerges

 

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