von Markus Golletz (Kommentare: 0)
Chinas Erfolgsrezept: Kove wird zu ZXMoto
Strategie und der Aufstieg von ZXMoto
China hat sich längst vom Billigproduzenten zum ernstzunehmenden Akteur auf dem globalen Motorradmarkt gewandelt. Mit einer Gesamtproduktion von über 9 Millionen Motorrädern im Jahr 2025 und einem Exportvolumen von 5,6 Millionen Einheiten zeigt das Land, wie strategische Industriepolitik und technologische Innovation Hand in Hand gehen. Die Branche wächst – allein zwischen Januar und August 2025 um 5,8 % – und setzt zunehmend auf Elektromobilität: Im September wurden 325.700 Elektromotorräder produziert, die europäische Seite kann da nicht ansatzweise mithalten.
Die durchschnittlichen Produktionskosten liegen bei rund 1.430 € pro Motorrad, was chinesischen Herstellern erlaubt, ihre Modelle zu konkurrenzfähigen Preisen auf internationalen Märkten anzubieten. Besonders dynamisch entwickeln sich die Exporte nach Afrika (+72 %) und Lateinamerika (+55 %), wo die Nachfrage nach bezahlbaren und robusten Zweirädern steigt.
Ein Symbol für diesen Wandel ist die Marke ZXMoto, gegründet von Zhang Xue, dem ehemaligen Chef von Kove Moto. Nach internen Differenzen verließ Zhang sein früheres Unternehmen und gründete ZXMoto, mit dem Ziel, nicht nur sportliche Motorräder zu bauen, sondern auch den europäischen Markt herauszufordern. Auf der EICMA 2025 in Mailand präsentierte ZXMoto neun neue Modelle – darunter die 820RR, ein Supersportler mit rund 150 PS, und die 820ADV, ein Adventure-Bike mit Langstreckenfokus. Beide Modelle sind Euro-5-konform, technisch ambitioniert und preislich deutlich unter vergleichbaren europäischen Maschinen angesiedelt.
Parallel zur EICMA zeigt die CIMAMotor in Chongqing, wie stark Chinas Motorradindustrie aufgestellt ist. Mit über 150 Herstellern und mehr als 250.000 Besuchern ist sie die größte Motorradmesse Asiens. Während die EICMA europäische Premiumhersteller wie BMW, KTM und Ducati ins Rampenlicht stellt, dominiert auf der CIMAMotor die Masse: Elektrozweiräder, urbane Mobilitätslösungen und strategische Exportmodelle. Marken wie CFMoto, QJMotor, Loncin und Lifan präsentieren dort ihre neuesten Entwicklungen – oft mit dem Ziel, neue Märkte zu erschließen und bestehende zu festigen.

Zhang Xue, ZXMoto, vormals Kove, stellt auf der EICMA in Milano seine neue Firma vor.
Die chinesische Motorradindustrie ist Teil eines größeren wirtschaftspolitischen Plans. Die Regierung fördert Schlüsselindustrien mit gezielten Subventionen, Infrastrukturmaßnahmen und Bildungsoffensiven. Unternehmen agieren privat, aber innerhalb klarer staatlicher Leitlinien. Kooperationen mit europäischen Herstellern – etwa Loncin als Motorenlieferant für BMW oder CFMoto als Partner von KTM – zeigen, dass China nicht nur Konkurrenz, sondern auch Kooperationspartner sein kann. Jüngstes Beispiel ist die Voge DS 900 X, die mit dem Motor der BMW F 900 GS daherkommt, aber nur 10.000 € kostet.
ZXMoto steht exemplarisch für diese neue Generation chinesischer Motorradmarken: ambitioniert, designstark und strategisch ausgerichtet. Mit Euro-5-konformen Modellen, Rennsportambitionen und einem klaren Fokus auf den europäischen Markt zeigt die Marke, dass China bereit ist, nicht nur mitzuspielen – sondern das Spiel zu verändern.
Als Kove vor wenigen Jahren auf der internationalen Motorradbühne auftauchte, schien alles nach Plan zu laufen: ein neuer Hersteller aus China mit sportlicher Ambition, Rallye-Erfahrung und dem Anspruch, auch in Europa ernst genommen zu werden. Gründer und CEO Zhang Xue, selbst leidenschaftlicher Fahrer, verkörperte das Gesicht dieser neuen Dynamik – ein Self-made-Unternehmer, der chinesische Ingenieurskunst und westliche Designideen zusammenbringen wollte.
Doch Anfang 2024 kam der Bruch. Fast beiläufig verkündete Zhang seinen Rücktritt als CEO von Kove – in einer knappen Mitteilung, die mehr Fragen aufwarf als sie beantwortete. Offiziell war von „unterschiedlichen Werten“ die Rede, von einer Firma, die sich anders entwickelte, als es sich ihr Gründer vorgestellt hatte. „Ich behandelte Kove wie mein eigenes Kind“, schrieb Zhang in einem öffentlichen Statement, „aber ich muss zuerst mich selbst lieben und Wert in meinem eigenen Leben finden.“ Es klang nach Erschöpfung, aber auch nach Frustration – nach einem Unternehmer, der die Kontrolle über seine Vision verloren hatte.
Intern, berichten chinesische wie europäische Branchenmedien, soll es tiefere Risse gegeben haben. Zhang wollte Kove weiter konsequent als sportliche Marke positionieren – mit klarer DNA, Rennsportnähe und einem unverwechselbaren Design. Das Management hingegen drängte offenbar auf breitere Modellpaletten, auf mehr Volumen und schnellere Markterfolge. Der Gründer, der Kove ursprünglich als „Boutique-Hersteller“ verstand, fand sich plötzlich in einer Diskussion über Rendite, Investoreninteressen und Massenproduktion wieder.
Die Folge: Rücktritt – und Neuanfang. Nur wenige Monate später tauchte ein neues Logo auf, das vielen sofort vertraut vorkam: ZXMoto. Dahinter stand niemand anderes als Zhang Xue selbst. In Chongqing gründete er seine neue Marke, die ganz bewusst mit seinen Initialen spielt („ZX“), und stellte schon im Sommer 2024 das erste Modell vor: die sportliche ZXMoto 500RR, eine Maschine, die konzeptionell an die Kove-SuperSport erinnert, aber deutlich schärfer gezeichnet ist.
ZXMoto ist kein Abspaltungsprodukt, sondern ein Befreiungsschlag. Zhang Xue will es diesmal anders machen: kleiner, unabhängiger, direkter – und trotzdem global. Die Marke soll sich, wie er in Interviews andeutete, stärker auf Qualität, Design und Rennsport konzentrieren, weniger auf Stückzahlen. Schon für 2025 kündigte ZXMoto den Auftritt auf der EICMA in Mailand an, mit gleich neun Modellen und 14 Varianten – ein ambitioniertes Statement, das zeigt, dass Zhangs Rückzug von Kove keineswegs ein Rückzug aus der Motorradwelt war.
Motorräder mit Seele
Während Kove unter neuer Führung weiter an Expansion und Serienproduktion arbeitet – und sich mit Erfolgen etwa in der Supersport 300-WM etabliert –, will ZXMoto den emotionaleren Weg gehen. Zhang Xue spricht von „Motorrädern mit Seele“, vom „Erleben statt Besitzen“. Zwischen den Zeilen klingt aber auch Trotz mit: der Wille, zu beweisen, dass seine ursprüngliche Vision richtig war.
So steht der Name ZXMoto heute nicht nur für ein neues Kapitel, sondern auch für einen seltenen Moment in der chinesischen Industriegeschichte: Ein Gründer, der sein eigenes Erfolgsunternehmen verlässt, weil es ihm zu angepasst geworden ist – und lieber wieder von vorne beginnt. Ein Bruch aus Überzeugung, nicht aus Kalkül. Und einer, der zeigt, dass Leidenschaft manchmal wichtiger ist als Marktanteile. Auch das ist in China möglich.
Derzeit ist BSN-Racing bei Fürth der einzige Kove Dealer in Deutschland, der die Firma vertritt und liefern kann.
Laut Motorradabenteuer (Sascha Christof) und anderen: die neue Referenz: Kove 800 Rally mit KTM 790 Motor und 184 kg vollgetankt
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