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Endurofahren aus Sicht von Wanderbuch-Autoren

Brief an Motorradreisefuehrer.de

Sperrungen am Ligurischen Grenzkamm?
Sperrungen am Ligurischen Grenzkamm?

Liebe Redaktion

Zunächst – wenn auch mit ‚leichter’ Verspätung - ganz herzlichen Dank für die positive Rezension unseres Piemont-Wanderführers!

Und für die Möglichkeit, uns hier zum Thema der piemontesischen Militärstraßen zu äußern.

Es geht darum, ein paar Vorurteile auszuräumen und mit dem weitverbreiteten Ansatz aufzuräumen, hier stünden sich zwei unterschiedliche Lager unversöhnlich gegenüber. Wanderer sind weder die besseren Menschen, noch stehen sie per se dem Naturschutzgedanken näher als Motorrad- oder Geländewagenfahrer. Schwarze Schafe und Umweltrüpel gibt es überall. Wir sehen deshalb eine viel größere Schnittmenge in der Interessenslage von motorisierten und unmotorisierten Höhenwanderern als gemeinhin angenommen wird. Darüber hinaus bestehen natürlich auch unterschiedliche, vollkommen konträre Ansprüche – die jedoch mit einfachen Regeln umzusetzen wären.

Zunächst aber kurz zu Deiner Anmerkung, wir würden uns ganz generell über die Befahrbarkeit von alten Militärstraßen beklagen und damit den Konflikt mit Bikern heraufbeschwören. Das sehen wir – wen wundert’s? – anders:

Wir schreiben Wanderbücher, und geben dem Leser nicht nur einen vagen Überblick über die Route, sondern bemühen uns, über die Beschaffenheit der Wegstrecke möglichst umfassend zu informieren.

Wenn man über 1.000 Höhenmeter aus dem Tal aufgestiegen ist und unterwegs nichts anderes gehört hat als Vogelgezwitscher und Murmeltierschreie, ist es schon ein Erlebnis der ganz besonderen Art, plötzlich ohne Vorwarnung auf 2.500 Meter Höhe an einer viel befahrenen Kreuzung zu stehen. Und wenn man Pech hat, dabei auch gleich in die dicke Staubwolke vorbeirasender Quadfahrer gehüllt wird.

Darauf hinzuweisen ist unseres Erachtens Aufgabe eines guten Wanderführers. Damit Wanderer darauf vorbereitet sind und sich ggf. eine andere Tour aussuchen.

Weitwanderer aber haben diese Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Strecke oft nicht. Wer auf der Grande Traversata delle Alpi (GTA) oder Via Alpina vom Susa- in das Chisonetal überwechseln will, gerät zwangsläufig an diese Kreuzung auf 2.500 Meter Höhe auf der Strada dell’Assietta und muss sich dann auch noch ein ganzes Stück weit die Schotterpiste mit Autos/ Motorrädern/ Quads teilen.

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(Foto: Mikuteit)

 

Das klappt in aller Regel auch gut – weil die überwiegende Mehrheit der Fahrer auf Fußgänger sehr viel Rücksicht nimmt. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, und es gibt sicher angenehmeres, als von einer langen Wagenkolonne überholt zu werden und statt Bergluft eben Auspuffgase einzuatmen.

Richtig böse wird es aber, wenn zerfräste Hänge oder der eigene Augenschein aufzeigen, dass manch Crosser die Hochlagen der Westalpen mit der heimischen Kiesgrube verwechselt und sie als Übungsgelände für sein fahrerisches Können nutzt. Wohlgemerkt: Wir schreiben hier über eine Straße, die durch das Naturschutzgebiet des Parco Naturale del Gran Bosco di Salbertrand führt.

Oder wenn man als Fußgänger auf einer dieser tollen Militärstraßen unterwegs ist, die durch Verbotsschild oder Schranke für den öffentlichen Verkehr eindeutig gesperrt sind – und die dann dennoch befahren werden. Ausflüchte reichen in diesen Fällen von „die Schranke ließ sich ja leicht entriegeln“ bis „das Verbotsschild war italienisch, das konnten wir nicht lesen“.

Oder wenn – trotz Sperrung - auch der letzte klägliche Gletscherrest am Colle Sommeiller befahren wird, nur um am legendären ‚Fahnenhügel’ die 3.000-er Marke zu knacken!

Diese aufgeführten Beispiele dürften genügen. Dir ist diese Materie ja schließlich nicht fremd. Wir wollten damit nur aufzeigen, worüber wir uns wirklich beklagen. Übrigens auch in großer Übereinstimmung mit vielen Bikern. Die müssen nämlich durch das Fehlverhalten einiger weniger – durch die wenig umweltverträgliche ‚Umnutzung’ dieser Strecken zum Fun-Park – befürchten, dass über kurz oder lang immer mehr dieser Straßen gesperrt werden. Und das wollt weder „Ihr Biker“ – noch wir!

Denn entdeckt haben wir diese traumhafte Region vor langer Zeit auf den zwei Rädern einer KTM. Und wären ohne die unter Mussolini erbauten Militärstraßen eventuell nie auf den Reiz des Westalpenbogens als Wanderdestination aufmerksam geworden. Und weil es gerade im näheren Umfeld der Assietta so viel zu entdecken gibt, befahren wir diese Straße auch heute noch von Zeit zu Zeit. Es wäre auch schade, wenn der gesamte Assietta-Grat ausschließlich jenen vorbehalten bliebe, die in der Lage und willens sind, einen Aufstieg von über 1.000 Höhenmetern auf sich zu nehmen und – oben angekommen – dann zudem keine Übernachtungsmöglichkeiten finden. Wanderer können wegen der Länge der Tour meist nur zur Testa dell’Assietta – haben damit noch nicht einmal die Möglichkeit, sich die vielen Festungen unterschiedlicher ‚Baureihen’ anzuschauen. Und nehmen dann auch beispielsweise gar nicht wahr, dass sich hier im Jahr 1944 die heiß umkämpften Außengrenzen der ‚Repubblica Libera Val Chisone’ befunden haben, eine im deutschsprachigen Raum nahezu unbekannte freie Partisanenrepublik.

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(Foto: Mikuteit)

 

Wir beklagen also nicht die generelle Befahrbarkeit der alten Militärstraßen – sondern vor allem ihren Missbrauch.

Darüber hinaus wäre wünschenswert – und würde das Verhältnis zwischen motorisierten und unmotorisierten Nutzern dieser Straßen sofort befrieden – wenn in allen Sommermonaten bestimmte Wochentage ausschließlich Wanderern, Mountainbikern und Reitern vorbehalten wären. Die dann ohne Motorengeräusche an diesen Tagen eventuell auch die Möglichkeit hätten, das eine oder andere etwas scheuere Tier zu sehen – oder schlicht in aller Ruhe einmal ohne Zivilisationsgeräusche nur das Panorama genießen könnten.

Wenn derartige Regelungen frühzeitig und mehrsprachig kommuniziert und auch nicht Jahr für Jahr geändert werden, sehen wir nicht, warum ein konfliktfreies Verhältnis zwischen Wanderern und Bikern nicht möglich sein sollte!

Sabine & Wolfram

Infos:

westalpen.eu/

westalpen.wordpress.com

 
 

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Kommentare

Kommentar von Florian Ossig |

Hallo zusammen,
bitte richtet Sabine & Wolfram im Zusammenhang mit der Assietta Kammstrasse folgendes aus:
Diese Strasse ist bereits mittwochs und samstags für den motorisierten Verkehr gesperrt, somit ist der Ruf nach einem Einrichten von Sperrtagen bereits seit Langem umgesetzt und muß nicht erneut gestellt werden. Ich bin die Strecke 2015 gefahren und kann leider nur von teils sehr arroganten Mountainbikern berichten, die nur sehr widerwillig motorisierten Zweiradfahrern Platz zum Überholen gemacht haben. Ganz besonders übel ist dieses an Steilstellen, wo man mit einem Motorrad a) wegen der Steigung schlecht anhalten und b) aufgrund der teils abschüssigen Bodenbeschaffenheiten nicht mehr anfahren kann, ohne evtl. einen Sturz zu riskieren.
Wenn schon der Ruf nach motorenfreien Tagen umgesetzt sind, dann frage ich mich allen Ernstes, warum man Mountainbiker nicht dann auch dazu verpflichten kann, diese Sperrtage zu nutzen, um dort ungestört zu radeln.
Dieses nur mal als Denkanstoss, da es nicht immer die Motorradfahrer sind, die das Konfliktpotential beinhalten.
Gruß, Florian

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