von Markus Golletz (Kommentare: 0)
Reisevorbereitung mit dem Diercke Atlas?
Atlas: Mit dem Finger über die Landkarte reisen
Als Gerhard und Rumold Mercator das erste gebundene Kartenwerk seiner Art anno 1595 veröffentlichten, nahm das Titelbild (Quelle: Wikipedia) Bezug auf den Atlas von Mauretanien. Das Werk kam schnell auf den Index der Katholischen Kirche, weil es mit deren Vorstellungen brach.
Auch heute ist ein Atlas nicht unbedingt das Kartenwerk zum Mitnehmen, digitale Editionen vielleicht ausgenommen, aber in Zeiten von Lock- und Shutdowns entdecket man schnell wieder die Reisevorbereitung mit der analogen Karte.
Wir nehmen uns zur Besprechung das beliebte Exemplar des Diercke-Westermann Schulatlas vor und berichten, was man damit anfangen kann.
Das besondere an den Schulatlanten ist, dass sie thematische Karten enthalten und damit Daten liefern, die in Reiseführern selten abgebildet werden. Insbesondere Karten zur Bodenbedeckung, historische Karten oder thematische Karten zu Ballungsräumen, Naturräumen, Energieverbrauch, Klimaschutz und Naturschutz machen die Reisevorbereitung um Einiges interessanter, als das bloße Studieren einer Straßenkarte. Im Haushalt der Redaktion waren gleich drei verschiedene Versionen des 'Dierckes' vorhanden, von 1974, 1983 und 2002. Bis 1974 gab es darin auch noch 'Rassenkarten' in der Weltkartenansicht; heute sind sie natürlich aus dem Sprachgebrauch verschwunden.
Kam auch vor: 'Rassenkarte' im Diercke, bis in die 70 Jahre
Wir haben mit den Kartenmachern von Diercke / Westermann gesprochen und ein wenig zur Entstehungsgeschichte herausbekommen:
Gibt es Überschneidungen bei den Karten in den verschiedenen Atlanten?
Die Schnittmenge an Karten in beiden Atlanten ist hauptsächlich bei der Betrachtung der Kartenräume in physischer Darstellung und bei einer Handvoll Themen, die nach wie vor zur Kartenarbeit bzw. zu den Lehrplaninhalten gehören, sehr groß. Gemeint sind:
- Physische Karten der Erde, physische Übersichtskarten sämtlicher Kontinente oder Teilräume davon, physische Karten der Teilräume Europas und Deutschlands – hier haben sich in 40 Jahren selbst die Maßstäbe kaum geändert. Jedoch wurde immer an der Aktualität der Karte, an der Lesbarkeit und auch an der Farbgebung gearbeitet und optimiert.
- komplexe Wirtschaftskarten mit einer gegliederten Bodennutzung/Vegetationsbedeckung und einer Betrachtung des Wirtschaftsgeschehens (Industrie, Bergbau, Landwirtschaft) in Form von Signaturen. Hier kamen zw. 1980 und heute verstärkt der Dienstleitungssektor (da immer wichtiger werdend) und die Betrachtung globaler Wirtschaftsstrukturen hinzu.
- politische Karten – damals wie heute dürfen Karten, die die Staaten Europas oder der Erde zeigen oder natürlich auch eine Karte der deutschen Bundesländer nicht fehlen
- Welt- oder Überblickskarten zu Themen wie Klima, Handel, Bevölkerungsdichte usw. gehören ebenfalls immer noch zum festen Kanon des Diercke Weltatlas
"Der Schulatlas hat keinen Grund, aus der Mode zu kommen ..." Reinhold Schlimm
Selbst bei Karten, die als sog. thematische Fallbeispiele immer einen bestimmten Raumausschnitt unter einem ganz bestimmten thematischen Aspekt zeigen, kann man Karten finden, die sich über 40 Jahre im Diercke gehalten haben.
In welchen Bundesländern gehören die Diercke Atlanten zu den Unterrichtsmaterialien?
In allen deutschen Bundesländern ist der Diercke zum Unterricht und zur Abiturprüfung zugelassen.
Ist der Diercke Weltaltlas mit Auflage 2015 die letzte Version? Wie oft erscheinen neue Diercke Atlanten in der Regel, bzw. wie oft werden sie überarbeitet?
2015 erschien die bislang jüngste Neubearbeitung des Diercke Weltatlas. Der Atlas wird jährlich fortgeführt und nachgedruckt. Die digitale Version des Diercke (seit 2015) erhält mehrere Male im Jahr Updates zu einer wechselnden Auswahl von Karten.
Uns ist auch aufgefallen, dass die Druckqualität im Vergleich zu unserem alten Altlas deutlich zugenommen hat, besonders im Diercke Weltaltas. Gibt es da neue Druckverfahren mit höherer Auflösung?
In 40 Jahren hat sich im Bereich der Drucktechnik viel getan. Auch hier wurden analoge Arbeitswege von der Digitalisierung abgelöst. Während früher von Druckfilmen und unter Verwendung gleichmäßiger (autotypischer) Punkt- oder Linienraster auf Druckplatten belichtet und von diesen Platten dann gedruckt wurde, werden die Druckformen heutzutage direkt mit der digitalen Datei belichtet. Anfangs waren diese digitalen Verfahren noch dürftig, aber das hat sich sehr schnell geändert zu extrem hohen Auflösungen. Frequenzmodulierte Raster verhindern heute Moireebildungen. Und die modernen Druckmaschinen selbst lassen eine immer exaktere Steuerung und Überwachung des Live-Druckergebnisses zu.
Michelin: Kartenausschnitt analog oder ‚Rasterkarte‘
Die Moral von der Geschicht'? Kartenwerke ändern sich ständig - aber die Topografie nicht (unbedingt). Gerade Lehrmaterialien bieten zum Teil interessante Informationen, die geografisch verbildlicht sind und so sehr gut für die Reisevorbereitung taugen. Gerade für die Planung 'über den Tellerrand hinaus' ist das Kartenstudium eine echte Bereicherung. Das reicht völlig für zu Hause aus, auch wenn später genauere (Motorradreise-)Planungen in einem GPS Track münden, dem berühmten Strich auf der (virtuellen) Landkarte. Gut zu wissen, was hier war, was hinter der nächsten Baumreihe liegt, was kulturell, industriell oder von der Natur her für das Erleben interessant sein könnte.
Infos
- Bibliografische Daten Diercke Weltaltlas hier
- Weitere Diercke Materialien zum Atlas
- Wikipedia zu Gerhard Mercator
- Interview Reinhold Schlimm, Diercke Weltatlas Redaktion (Detector.fm)
- Klimawandel Animation Arktis der letzten 20 Jahre (qz.com)
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