von Markus Golletz (Kommentare: 1)
Spritpreis-Spirale?
Und kost' Benzin auch drei Mark zehn – Sch*** ****
Gestern habe ich etwas mir Peinliches gemacht. Ich war früh morgens mit dem Roller los, einen 20l Kanister zwischen den Beinen. Mit der Benzin-App auf der Suche nach günstigem Sprit. Die Challenge: Gibt es noch irgendwo etwas unter 2€ den Liter?
Ich fahre nicht unbedingt viel in diesen Tagen, aber es nervt, wenn man beim Tanken auf einmal das ganze Wochenbudget auf den Kopf haut. Ich wusste, dass die Preise steigen werden, aber nicht nur wegen eines Krieges auch wegen der ‚Spekulation‘. Die Recherche hier ist auch kein 'Aufreger' der vom Ukrainekrieg ablenken soll, sondern der Versuch einer Klärung.
Benzinpreisentwicklung (Woche)
Ölpreis (Woche)
Der Hintergrund: Was verdient der Staat und sind die Abgaben zweckgebunden?
Die Steuer auf Benzin beträgt seit längerem und pauschal 65,45 Cent pro Liter, auf Diesel 47,04 Cent pro Liter. Dazu kommt die Mehrwertsteuer (19 %) und die aktuellen CO2-Bepreisung.
Die Mineralölsteuer oder Neudeutsch Energiesteuer ist eine Kraftstoffsteuer die Energiearten fossiler Herkunft besteuern soll. 15 (Sprit) bis 38 Milliarden Euro (zuzüglich anderer Energiesteuer Einnahmen) kommen so jährlich zusammen. Zweckgebunden ist die Steuer schon lange nicht mehr, sie finanziert den Staatshaushalt. Ihr Ziel ist es, fossile Energie unattraktiver zu machen. Soweit so klar. Derzeit zahlen wir beim Tanken also mehr als einen Euro pro Liter an den Staatshaushalt. Steuern sind aber nicht zweckgebunden z. B. für Straßenunterhalt im weiteren Sinne. Sie können auch für die Abfindungen der AKW Betreiber, für Waffen, etc. ausgegeben werden. Auch die KFZ-Steuer ist nicht zweckgebunden. Nur Gebühren und Beiträge dürfen für einen bestimmten Zweck verwendet werden. Steuern sind also ‚Geldleistungen ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung‘.
Preisentwicklung: 25% in 2 Wochen
Sind die Rohölpreise zuletzt (2019) rapide um 25% wegen des Konflikts zwischen USA und Iran gestiegen, ist es diesmal untern anderem der Ukrainekrieg und die damit verbundenen Rohölbeschaffungspreise. Daraus resultieren unterschiedlichste Spritpreise in Europa und Übersee, je nachdem wie der Rohölmix aussieht und was Spekulanten und andere Zwischenverdiener machen.
Heute sind die durchschnittlichen Verbrauchspreise für Superbenzin bei einem Rohölpreis von 0,74 € [9.03.2022] wie folgt:
Deutschland: 2,25 €
USA: 1,01 €
Italien: 1,84 €
Russland: 0,49 €
Türkei 1,03 €
Bulgarien: 1,36 €
England: 1,81 €
Bosnien & Herzegowina 1,32 €
Moldau: 1,17 €
Samnaun (CH) 1,15 € (zollfrei)
Kanarische Inseln 0,99 €, ein Freund sagte: 1,24 €, die Kanaren sind in Spanien steuerbegünstigt
Polen: 1,26 €
In den Niederlanden und Deutschland ist der Sprit derzeit am höchsten. Woran liegt das?
„Die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen in Deutschland grundsätzlich entsprechend den Großhandelspreisen für Kraftstoffe am Rotterdamer Ölmarkt. Diese wiederum folgen in der Regel dem Rohölpreis, können sich aber je nach Angebot und Nachfrage des betreffenden Produkts kurzfristig bis zu einem gewissen Grad auch vom Rohölpreis loslösen.“
schreibt das BMWI.
Warum Deutschland nun die höchsten Preise in Europa (oder der Welt) hat, schreibt das BMWI nicht. Die Verweise gehen auf die Markttransparentstelle für Kraftstoffe (MTS) im Bundeskartellamt, die ihre ‚aktuellen‘ Downloads aus Berichten von 2018 und 2019 speist. Verantwortlich sind sie für die Preise aber nicht. Wer denn?
Deutschland bezog 2020 (Anteile in 1000 Tonnen) 28,1k aus Russland, 9,4k aus GB, 9,3k aus USA, 8k aus Norwegen, 7,4k aus Kasachstan und 5,1k aus Nigeria. Vor 2018 waren es auch Saudi-Arabien, Irak, Ägypten, Algerien Venezuela und Dänemark. Aus Russland kamen und kommen als weniger als die Hälfte der Rohölimporte. Während der Spritpreis in den letzten zwei Wochen zwar auf hohem Niveau, aber in den anderen europäischen Ländern relativ konstant blieb, ging er in Deutschland durch die Decke.
Es kommt also der Verdacht auf, dass die Preise hierzulande mit noch anderen Faktoren zu tun haben könnten: Das auch spekulative Anleger kurzfristige Tendenzen verstärken können, liegt nah. 2008 waren die Rohölpreise ähnlich hoch. Da gab es noch keine CO2-Abgabe, doch der derzeitige Preis in Deutschland erscheint nicht nur im europäischen Vergleich überteuert.
Deutlich zu sehen ist, das sich seit dem 1.6.22 die Profite der Benzinhersteller deutlich erhöht haben. Das ist Betrug am Steuerzahler.
Lösungen
Derzeit sind verschiedene Lösungsansätze im Gespräch. Die Regierungskoalition spricht von Aussetzung oder Verminderung der derzeitigen Mehrwertsteuer auf Benzin und andere fossile Energieträger. Einige Länder Europas haben schon Maßnahmen ergriffen. Dabei zeit sich: Deutschland ist auch beim Strom am teuersten. Derzeit zeigen die Grafiken oben einen fallenden Rohölpreis und eine steigenden Benzinpreis in Deutschland. Preisunterschiede nach unten werden nicht an VerbraucherInnen weitergegeben.
Entlastungspaket 2022 // 'Tankrabatt' in Deutschland
(ab 1. Juni bis ende September 2022)
Das Entlastungspaket droht von der Mineralölindustrie 'aufgefressen' worden zu sein. Der Steuernachlass wird nicht ansatzweise an die Verbraucher weitergegeben. Die Bundesregierung sollte hier wirkungsvoller eingreifen und nicht nur die Profite der Shareholder vergrößern. So wird die Förderung zu einer (FDP-)Förderung der Konzerne und Aktionäre.
Die weiteren Maßnahmen:
- 300 Euro Energiepreis-Pauschale für alle einkommensteuerpflichten Erwerbstätigen
- 100 Euro Einmal-Bonus für Familien mit Kindern (pro Kind)
- 100 Euro für Sozialleistungsempfänger
- Senkung der Kraftstoffsteuer (29,55 ct/Liter Benzin, für Dieselkraftstoff um 14,04 ct/Liter ohne Mwst)
- 9-Euro-Monatsticket im ÖPNV
Links
- BMWI über Kraftstoffpreise
- Die Profitteure (Tagesschau 18/3/22)
- Ralf Streck (Heise) über die Profitteure der hohen Spritpreise
- Lindener schlägt Krisenrabatt auf Kraftstoff vor (Entlastungspaket, s. o.14.3.)
- Warum der Spritpreis weiter steigen wird (Capital.de)
- Frag den Staat: Umsatzsteuer auf Steuern?
- Maßnahmen zur Senkung des Ölverbrauchs (Greenpeace / DF)
Die neue Handtasche, wenn auf der Kö in Düsseldorf nun eine Tankstelle eröffnet. #Spritpreis #Benzin pic.twitter.com/56ifiWpt15
— ? ᗰᑌᗰᑌTᗩᗷᑌ? ?? ? (@MumuTabu) March 8, 2022
Kommentare
Kommentar von Michael Grüter |
Guter Bericht!
Richtig wird erläutert; Noch sind es nicht die Sanktionen gegen Putin, die die Preise treiben. Die Sorge vor Verknappung lässt es klug erscheinen, Benzin zurückzuhalten, auf höhere Preise zu spekulieren. Im EU-Vergleich stehen die deutschen Verbraucher übrigens noch verhältnismäßig günstig da. Nur in vier Länder wird gemessen an der Kaufkraft weniger für den Liter gezahlt, in 25 mehr. Da wäre also noch Luft nach oben, um dem Kriegstreiber die Suppe zu versalzen.
Antwort von Markus Golletz
Michael,
long time not seen! Ja danke für den Hinweis, das man natürlich im europäischen Vergleich die Kaufkraft mit einbeziehen muss. Wie meinst du 'Luft nach oben'? sollten wir noch höhere Preise aushalten können, nicht fürs Klima, sondern gegen den Krieg?
Markus
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