von Markus Golletz (Kommentare: 2)
Tirol: Plastik-Begrenzer für 300 Euro?
Es liest sich wie eine Glosse, es ist aber vollkommen ernst gemeint: Wer in bestimmten Regionen Österreichs mit dem Motorrad Urlaub machen will, dessen Motorrad darf ein eingetragenes Standgeräusch-Limit von 95 dB nicht überschreiten. Dass beim Fahren tatsächlich ganz andere Emissionen entstehen, steht auf einem anderen Blatt. Das Standgeräusch wird lediglich bei der halben Nenndrehzahl gemessen.
Bei dem nun erhältlichen Gimmick handelt es ich um einen eintragungspflichtigen Begrenzer im Gasgriff. Dabei wird „Der Drehwinkel des Gasgriffs so eingeschränkt, dass die halbe Nenndrehzahl auf ein Niveau fällt, bei dem maximal 95 dB gemessen werden“, schreibt MOTORRAD im Gespräch mit dem Anbieter 3P, der es wissen muss. In den meisten Fällen findet dadurch eine reine Leistungsbeschränkung, über den eingeschränkten Hub des Gasgriffs statt, die österreichischen Behörden (und hoffentlich auch die AnwohnerInnen) besänftigen. Wir möchten mal daran zweifeln, dass die Maßnahme vom Aufwand und Effekt zielführend ist. Wie so oft in der Geschichte der Streckensperrungen, wo Geschwindigkeit mit Lautstärke gleichgesetzt wurde, kommt es zu schwer nachzuvollziehenden Arrangements. Zum Beispiel fragen wir uns, wie sich die kleinen Plastikeinleger im Zusammenspiel mit den doch so gängige Zubehör-Auspuffanlage verhalten, die ja nicht mitgeprüft wird.
Das kleine Stück Plastik im Gasgriff (oder im 'Ride by Wire') ist praktisch wertlos, kommt einer simplen Gaszug-Drosselung gleich. Weil es dafür aber ein individuelles Gutachten und einen fälligen Eintrag in die Papiere geben muss, wird es jetzt teuer. Die Motorräder verlieren dadurch sehr unterschiedlich viel Leistung, zwischen weniger als ein PS und ganze 60 bei größeren Ducati Modellen. Die Fahrt zur Eintragung bei TÜV, DEKRA o. ä ist obligatorisch und auch die Eintragung in den Fahrzeugpapieren. Wer glaubt, dass man nach dem Tirol Aufenthalt den Plastikschnipsel einfach herausnehmen darf, hat sich verkalkuliert. Dann ist die Prozedur erneut, inklusive der Zahlungen, notwendig. Außer Spesen also nichts gewesen? Ein Appell, den Gasgriff in den Orten nicht ganz zu öffnen (wer macht das schon?) hätte anscheinend nicht gereicht. Die Sets umfassen die Plastikdrossel, Teilegutachten und ein aufklebbares Typenschild und kosten ohne Eintrag um 200 €.
Auch kleinere Hubräume sind betroffen, wie die Brixton 500 z. B. die 96 dB eingetragen hat. Ganz andere Boliden werden hingegen mit der 95 ohne Beanstandung ‚durchgelassen‘. Hätte uns vor 20 Jahren mit Blick auf die Zukunft so eine Geschichte erzählt, die dazu noch all-inclusive 300 € kostet, hätten wir nicht lauthals gelacht?
- Gerne würden wir das mit euch diskutieren: Was wären sinnvollere Maßnahmen, in geplagten Anreise- und Urlaubsregionen für weniger Lärmbelastung zu sorgen?
Quellen
Kommentare
Kommentar von Markus |
Silencer, wahrscheinlich wäre das ein viel einfachere uns sinnvollere Maßnahme: einfach die Klappensteuerung (nicht nur für Tirol) stillzulegen. Deine Argumentation kann ich gut nachvollziehen. Früher habe ich mich auch dabei ertappt, laut sein zu wollen, aber bei dem Verkehrs-overkill ist das längst vorbei. Mittlerweile kann ich das gut genießen, wenn ich Elektromotorrad fahre. Danke!
Markus
Kommentar von Silencer137 |
Sinnvollere Maßnahmen, in geplagten Anreise- und Urlaubsregionen für weniger Lärmbelastung zu sorgen:
- Kurzfristig: DB-Eater nicht ausbauen
- Keinen Klappenauspuff nachrüsten/bestellen bzw. Hersteller deutlich machen, dass man das nicht geil findet.
- Mittelfristig: Hersteller stellen Motorräder ohne Klappen her, bei denen einem nicht die Ohren abfallen, wenn die Kisten an einem vorbeifahren.
- Langfristig: Elektromotorrad.
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