Touren- & Reisetipp Aostatal
Das Aostatal liegt in einer großartigen Bergkulisse in Nord-Westitalien. Die Höchsten Berge Frankreichs und der Schweiz bieten seine Umrahmung: Matterhorn (4478m), Montblanc (4810m), Dufourspitze (4634m), Monte Rosa (4634 m).
Doch auch unten im Tal gibt es viel Sehenswertes: mächtige Burgen wie Bard oder Schlösser liegen dort. Natursehenswürdigkeiten findet man überwiegend in den 14 Seitentälern des Aostatals.
Das Valle d’Aosta oder Vallée d’Aoste ist eine der 5 autonomen Regionen Italiens. Ein Großteil der Steuereinnahmen bleibt hier, dafür werden Schulen, Kulturausgaben, etc. komplett aus dem eigenen Länder-Etat bestritten. Angesprochen werden Touristen meist auf Italienisch, doch zu Hause sprechen die Val d'Aostaner meist Französisch oder Patois.
Für die Motorradtouren sind viele der Seitentäler sehr geeignet: Die meisten von Ihnen müssen aber auf demselben Weg zurückgefahren werden, weil die teils langen Stichstraßen meist vor hohen Bergen münden. Die Bernhard-Pässe sind davon ausgenommen, sie führen nach Frankreich und in die Schweiz, der Montblanc-Tunnel unter dem höchsten Berg der Alpen hindurch.
Ich möchte hier zunächst einige lohnenswerte und kulinarische Stopp-Over beschreiben. Dabei geht es um Weinverkostungen etwas im Maison Anselmet oder die Donnas Weine aus dem unteren Aostatal, es geht um die römischen und frühgeschichtlichen Ausgrabungen in Aosta Stadt, um Tal nahe Weinwege siehe hier:
Sonnige Etappe des Chemin des Vignobles bei Pont-Saint-Martin
Ich liebe Aosta, bin aber mit dem Motorrad oft genug daran vorbeigefahren. Ein Regentag bei dieser geguideten Reise (ausnahmsweise ohne Bike) lässt mehr Ruhe einkehren in den Aosta-Besuch und gibt Zeit sich der römischen Geschichte zu widmen. Mit einem sehr guten Guide gehen wir durch das Saint-Martin-de-Corléans-Museum, in dem ähnlich aufbereitet wie in der prähistorischen Höhle der Caverne du Pont d’Arc, nur wurde in Aosta ein Museum um die Original-Fundstätte gebaut. Ein Bagger stieß 1969 bei Bauarbeiten auf einen großen Stein. Nichts ungewöhnliches, doch beim näheren Hinschauen stellt sich heraus, dass der große flache Stein äußerlich Verzierungen aufwiest – eine megalithische Stele war gefunden. Es werden auch Megalithen, weitere Stelen und über 4000 Jahre alte Pflugspuren freigelegt.
Corléans Museum: 4000 Jahre alte Pflugspuren
Imposant die erhaltenen Stadttore und das Theater-Gelände in der Altstadt, so wie auch die gut erhaltenen Katakomben-artigen Gewölbe der Criptoportico Forense unter dem Foro di Augusta Praetoria.
Signori Renato und Giorgio Anselmet halten in einem kleinen Bergort unweit von Aosta in einem neu erbauten Kellergewölbe aus Tuffstein einige Spezialitäten für uns bereit. Mir geht das vor dem Essen etwas zu schnell, denn es werden nicht weniger als 10 Weine1 serviert, von Nebbiolo über Syrah (Henry) und Torrette, Fumin oder Pino Gris und Chardonnay, um nur die wichtigsten zu erwähnen.
In Fontainemore, gewinnen wir im Besucherzentrum der Mont Mars Berge eine erste grobe Vorstellung von Natur und Walserkultur. Sehr impressiv aufgearbeitet ist dort auch die alle 5 Jahre stattfindende Prozession (nächste: 24.7.2020) zum piemontesischen Santuario von Oropa (UNESCO Weltnaturerbe). Mehr als 1000 Gläubige nehmen ab 23 Uhr den beschwerlichen Weg über die Colle dei Cinque Croci und Colle della Barma zur Wallfahrtsstätte von Oropa.
Alle 5 Jahre: gigantische Prozession nach Oropa.
Unsere Wanderung führt hingegen über einen alten gepflasterten Weg hinauf nach Farettaz zur Festa del Pane Nero. Der Weg ist steil und führt am Ende über eine Teufelsbrücke hinauf in den kleinen Weiler, wo sich heute alles um das Brotbacken dreht. 180 Laibe werden aus Roggenmehl geformt, früher wurde hier nur ein- oder zweimal im Jahr gebacken. Bei dem Fest sind alle auf den Beinen, so wundert es auch nicht, dass die derzeitige Bürgermeisterin Speranza Girod zugegen ist und, wie hier im Audiofile zu hören, auch der Männerchor aus Pont-Saint-Martin. Der Himmel reißt auf und gibt einen Vorgeschmack, wie der Himmel hier im Sommer aussehen kann: Auf der gegenüberliegenden Talseite durchstoßen schneebedeckte Berge eine dünne Wolkendecke.
Zum Pranzo, dem Mittagstisch wird dann noch aus demselben Brot-Backofen die ‚Seupa Valpellinentze’, ein Auflauf aus weißem Kohl, Brot, Rinderbrühe, Fontina und manchmal auch Carbonada con Polenta, eine Art Rindergulasch mit Polenta serviert.
Eine vor Kraft und Siedlermentalität strotzende Person treffen wir gleichwohl an den terrassierten Hängen von Farettaz. Federico arbeitet in der Paysage à Manger-Genossenschaft die es sich zum Ziel gemacht hat, mit traditionellen Mitteln die Landwirtschaft des Gressoney-Tals zu kultivieren und an alte Zeiten anzuknüpfen, als hier noch unter Walser Einfluss wesentlich mehr Menschen wohnten. So viel Enthusiasmus ist schön anzusehen und am Ende sogar mitreißend: Zusammen mit Federico bestellen wir eine Terrasse mit Roggen-Samen und besprechend die hochwertigen Produkte der Tal-Landwirtschaft.
Wer des kühler werdenden Wetters wegen im Frühjahr oder Herbst nicht so hoch hinaus will, ist auf den sonnigen Pfaden des Chemin des Vignobles im unteren Baltea Tal gerade richtig. Hier weitet sich bei Pont Saint-Martin der Blick bis hinaus zum Taleingang nach Ivrea und in die Weinhügel des Carema DOC Anbaugebietes. Der Chemin ist in Teilen auch identisch mit der berühmten Frankenstraße, der Via Francigena, die allmählich größere touristische Aufmerksamkeit auf sich zieht. Nicht weit von der original erhaltenen, 2000 Jahre alten Römerbrücke von Pont-Saint-Martin gibt es einen Einstieg, der besonders im Herbst sehr schön ist. Auf der Sonnenseite des Tals lässt sich hier trefflich flanieren oder auch mit dem Motorrad entlangfahren und aus etwa 4-500 m Talhöhe hat man bei stets mildem Wetter den besten Blick über den örtlichen Weinanbau. Oft wird hier auf einen terrassierten Pergola- Anbau gesetzt, um Wärme und Sonneneinstrahlung optimal für den Wein zu nutzen. Es ist der Donnas Wein, der sich hier in der Sonne aalt und kurze Zeit später stehen wir inmitten eines kleinen Trupps, die eine zweite Lese per Hand unternehmen.
Der Bürgermeister Amedeo Follioley des kleinen Örtchens mit großer Weinkultur legt im Weinberg selbst Hand an und kann einige Besonderheiten des hiesigen Weinbaus erklären: Da die Weinreben am Südhang nicht bewässert werden können, hat man einige Felsen im Weinberg als Wasserspeicher umfunktioniert. Diese Bramet genannten felsigen Unterstände fangen mit ihrer großen Oberfläche die Umgebungsfeuchtigkeit auf und sammeln sie an einem günstigen Punkt an ihrer Unterseite in einem Bassin. Dieses Wasser kann dann in Trockenperioden helfen, den Weinberg zu bewässern.
Das farbenfrohe Spiel der Laubfärbung und die tief stehende Sonne, färben den Donnas Weinberg in ein warmes Licht, als wir den Chemin Vignobles verlassen und mit Amedeo zu einer Wein- und Käseverkostung in die Caves de Donnas absteigen. Vorher gibt es noch ein Besuch im Wein-Ecomuseo, der das gesehene mit Fakten und Geschichte untermauert.
Die Verkostung findet in der neuen Confrérie du Saint-Esprit et laiterie de Tréby statt, in der man sich für ähnliche Unterfangen vorher anmelden sollte. Fontinakäse, Donnas Wein (mit und ohne Barrique) werden hier verkostet: sie passen vorzüglich zusammen.
Eher für Regentage ist die Besichtigung der dominierenden Forte di Bard geeignet. Sie beherbergt ein sehr extravagantes Alpenmuseum mit dem Schwerpunkt Aostatal. Doch selbst das Museum will erklommen werden. Man ist dabei an einstige Angreifer erinnert, denn nicht weniger als 4 gläserne Fahrstühle, die außen an den Festungsmauern emporgleiten, müssen benutzt werden um in die Museeumsetage zu gelangen.
Alles in allem machte dieser Besuch Lust auf noch viel mehr Entdeckungen im Aostatal. Mit dem Motorrad muss man vor allem die Bernhard-Pässe und den Colle di San Carlo oder die Vallepelline und den Colle della Ranzola erklimmen. Die 14 Seitentäler bieten eine Menge Abwechslung und meist ruhige Stichstraßen zum Talschluss, die vor allem eines bieten: Abwechslung, Ruhe und Ausblicke auf die höchsten Berge der Alpen.
Winterlicher Tipp: Fiera di St. Orso jedes Jahr am 30. / 31. Januar: Handwerker und Kleinkunstmesse in Aosta und Nachbartälern.
1 Kleiner Aosta-Wein Knigge vom Weinkenner Michel Golibrzuch:
Wer dem Einheitsgeschmack internationaler Rebsorten abschwören will, ist im Aosta-Tal genau richtig aufgehoben. In der kleinsten Region Italiens finden sich Weine, die in dieser Form wohl einzigartig sind. Grund genug also, das Zweirad zu parken um Schlund und Satteltaschen zu verfüllen.
Das Klima und der sandige Boden der höchstgelegenen Weinberge Europas haben bewirkt, dass Aosta bis heute von einem Reblaus-Befall verschont geblieben ist. Ergebnis dieses geografischen Glücksfalls ist der Anbau einer Vielzahl fast vergessener Sorten entlang des Flusslaufs der Dora Baltea, etwa der Prié Blanc-Traube. Im „Rayon“ der Genossenschaft Cave du Vin blanc de Morgex et La Salle lässt sich erschlabbern, was ein rechter Gebirgswein ist: Nicht zu alkoholstark und mit einer feinen kristallinen Struktur, verweist der weiße Geschmacksbolzen auf sein rd. 1100m hoch gelegenes Anbaugebiet.
Die Topographie verlangt den Winzern auch methodisch alles ab. Um der Schneelast der langen Winter zu trotzen, sind die für den Weinbau gezimmerten Holzgerüste hier auf Steinpflöcken, so genannten Pergolen, verlegt. Das Gestein vermag denn auch die Sonnenwärme in der kurzen Vegetationsperiode von Anfang Mai bis Mitte September zu speichern und an die Weintrauben abzugeben – ein Umstand, den sich auch die Brüder Albert und Marziano Vevey mit ihren vorzüglichen Blancs Morgex zunutze machen.
Talabwärts kommt der Rotwein zu seinem Recht. Constantino Charrère verfügt mit gleich zwei Domänen über die größte Anbaufläche in Aosta. Während er unter dem Etikett „Les Cretes“ einheimische mit internationalen Rebsorten verschneidet, handelt es sich bei den unter seinem Namen angebotenen Roten ausschließlich um lokale Gewächse. Petit rouge als Haupttraube, ergänzt mit Mayolet, Cornalin oder Fumin, sollten sich auch Motorrad-Touristen nicht entgehen lassen, gibt es doch außerhalb der Region fast keine Möglichkeit, diese Weine aufzutreiben. Neben Charrère seien auch der „Torrette“ des Maison Giorgio Anselmet und der „Torrette superieur“ von Di Barro zum Genuss befohlen!
Je weiter man ins Tal hinab steigt, desto eher stößt man wieder auf vertraute Trauben. Der aus dem Piemont bekannte Nebbiolo, hier Picoutener genannt, findet im klassischen Donnas der gleichnamigen Genossenschaft seine beste Ausprägung. Auch bei diesem Wein sollte man nicht zögern zuzugreifen, ist er doch vom demographischen Wandel akut bedroht. Die betagten Winzer der Kooperative beklagen trotz stattlicher staatlicher Unterstützung existenzbedrohende Nachwuchssorgen, da junge Leute inmitten der zahllosen Skigebiete nur schwer für die mühselige Reben-Pflege zu begeistern sind. Kurz und krumm: Genießen Sie den Donnas, so lange es noch geht!
Weinanbaugebiete Aosta