Testblog Honda Africa Twin CRF 1100 L
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ie Honda Africa Twin hatte ich schon mal: Die ersten Modelle kamen im Winter 1988/89 auf den Markt und meine 'RD 03' hatte 650 PS, eine Scheibe und das Aussehen, als käme sie direkt aus Dakar. Im Tourenfahrer 5/1988 staubte sie das beste Testergebnis aller Zeiten ab und damit war klar, hier ist eine Legende, auch für Straße und Reise, geboren.
Ich bin so um die 200.000 km mit ihr gefahren, sie war nie in der Werkstatt und nie wurde der Motor geöffnet. Doch das ist eine andere Geschichte.
2017 konnte ich auf Korsika mal kurz mit der 'neuen' CRF 1000L' Africa Twin fahren. Meine ersten Gedanken: immer noch schwer und ein Reisedampfer eben. Derzeit habe ich die Gelegenheit mir das Nachfolgemodell der 1000 der anzuschauen. Tatsächlich ist sie leichter als alle Africa Twins vor ihr und im Vergleich zur 650 Ur Africa Twin hat sie doppelt so viel Leistung. Was haben wir uns zu zweit (aus heutiger Sicht) mit der 650ger mit ihren 50 PS und nur einer Scheibenbremse in den westlichen Alpen abgequält. Doch damals galt das als potent und wir hatten viel Spaß.
Geburtstunde: 1988
Zur neuen also: Genau wie die Super Ténéré kam sie viel zu spät. Die Pear-Group hatte sich längst eine F 800 GS oder was ähnliches als Ablöse gekauft. Honda und Yamaha kamen nicht hinterher, rechtzeitig eine neue Legende zu liefern. Varadero, Crosstourer, auch die Suppen Ténéré, das war alles nichts für Rallye-erfreute AT Treiber und Treiberinnen. Yamaha scheint mit der Ténéré 700 den Nerv getroffen zu haben, auch weil das Motorrad am Anfang unter 10 Tausend Euro kostetet. Ein weiterer Kandidat dieser Kategorie ist die neue Aprilia Tuareg 660, die bald auf den Markt kommt. Auch Honda soll eine neue Transalp auf Basis der CRF 1100 oder eine 'kleine Africa Twin' planen. Motorradreisefuehrer.de denkt, das würde die Gemeinde stark begrüßen.
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Soll & Haben der Honda Africa Twin 1100 MY 2020
- hoher Preis
- schwer haptisch ertastbare Lenkerarmaturen
- kleiner Wendekreis trotz USD
- viel Komfort für Fahrer und Sozius
- üppige Federwege
- Dezenter, zeitgemäßer Sound
- kultiviert abgestimmter Motor und gutes Handling
- erstaunlich gute Offroadeigenschaften auf weitem Offroad Terrain (Sand, Piste, etc.)
- tolles Licht: TFT, Kurvenlicht, LED
Ab hier aktuelle Blogbeiträge: September 2021: (neu nach alt)
Impressionen vom Test
Die Twin und das Gepäck
01.10.2021
Wie bequem ist die Africa Twin mit Gepäck? Nun, ich war nur allein unterwegs. Allerdings steigt das simple Umsteigen auf eine Einzylinder-Ednuro, wie groß das Platzangebot auf Hondas Africa Twin ist. Der Tank ist riesig mit seinen 24,8 Litern und sehr breit geworden. Er knüpft vom Konzept nicht an seinen Ur-Ahn, der 650er Africa Twin an, die ebenso einen Metalltank hatte, der aber seinen beiden kunstvoll weit nach unten gezogenen Tankflügeln den Schwerpunkt weit nach untern brachte. Ähnliches findet man heute an den KTM Zweizylinder-Enduros, allerdings ausgeführt in Plastik. Der große Enduristan Sandstorm Tankrucksack passt perfekt, auch wenn beim linkslenken ab und an versehentlich die Hupe ausgelöst wird.
Givi steuert bei Honda das Alu-Koffersystem bei und als Rahmenschlusstück wird eine massive Gepäckbrücke aus Aluminium Guss- und Zugprofilen geliefert. Hier gilt aus Sicherheitsgründen die Belastungsgrenze von 10 kg, obwohl das Material viel mehr aushalten dürfte. Einfach und gut gelöst ist die Gepäckaufnahme in den wasserdichten Alu-Koffern. Zwar ist der Koffer auf der Auspuffseite untenrum wegen des Auspuffs etwas kleiner, aber der Gepäckträger lässt sich wegen der 4 gut zugänglichen Anschraubpunkten auch leicht beiseite stellen. Die untere vordere Ecke der Koffer wird dabei, wie auch bei der GS 1200 üblich, gummigelagert an den Soziusfußrastenauslegern abgefangen. Motorradhersteller arbeiten seit langem besser auch mit den Zubehörherstellern zusammen (in diesem Fall mit Givi) und konzipieren daher technisch bessere Möglichkeiten für die Gepäckunterbringung. Die Koffer sind in einer ähnlichen Ausführung (Trekker Dolomiti DLMk 36, Koffersatz ca. 600€) auch direkt von Givi zu bekommen. Am ehesten entspricht der Givi Trekker Outback 37 dem bei Honda original verbauten Koffersatz. Für rund 230 Euro gibt es dazu den passenden Givi PLR Kofferträger, damit liegt man einige hunderter unter dem vom Honda angegebenen Listenpreis von über 1300 Euro für diese Kombination.
Das Platzangebot für Fahrer und Beifahrer(in) bleibt dabei gewahrt und wird nicht eingeschränkt.
Lastenesel: Das zulässige Gesamtgewicht beträgt 446 kg. 220 kg dürfen zugeladen werden.
Was hat sie, was andere nicht haben?
30.09.2021
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nterschätzt wird beim Thema Fahrsicherheit oft der Themenkomplex Licht. Da für viele Biker das Motorrad ausschließlich ein hochrangiges Freizeitobjekt geworden ist, wird nach Möglichkeit auch auf Nachtfahrten und Fahrten bei Dunkelheit verzichtet. Das Thema Sichtbarkeit ist hingegen hoch angesiedelt: Neonwesten und Tagfahrlicht haben mittlerweile, nicht nur in Motorradgruppen, einen festen Platz. Was hat die Honda da zu bieten?
Vor allem einen hochwertigen LED-Doppelscheinwerfer und eine Rücklicht Kombination, die erkennt, wenn eine Notbremsung vorliegt.
Hondas Doppelscheinwerfer gehört zu den besten, die auf dem Markt sind. Er leuchtet wahlweise mit Tagfahrlicht oder in der Dunkelheit mit zwei ebenfalls von der Lichtfarbe Tageslicht ähnlicher Farbtemperatur die Fahrbahn breit aus. Dazu kommt das adaptive Kurvenlicht, so wie es in der Tourerszene noch nicht weit verbreitet ist, aus oben genannten Gründen. Das adaptive Kurvenlicht erkennt die Schräglage und das einlenken und aktiviert in der Scheinwerfermatrix die entsprechenden LED, damit diese - ohne den Gegenverkehr zu blenden - die Kurveninnenseite beleuchten. Der Honda Scheinwerfer bietet keinen direkten Blick auf die Matrix, sondern, wie bei vielen Autoscheinwerfern, wird hier das ca. 5600 Kelvin neural-warme Licht eingespiegelt und verbessert so wiederum über die Reflektoren die Lichtaustrittsöffnung.
Zustande kommt dabei ein satter Lichtkegel, der immer genau da hinleuchtet, wo das Motorrad hinfährt. Nachtfahrten verlieren dabei viele ihrer Gefahren und bei Tag leuchtet wahlweise der Hauptscheinwerfer oder das Tagfahrlicht (TFL), das ja bekanntlich nicht die Straße ausleuchtet, sondern auf die Augenhöhe von Menschen zielt und damit die Sichtbarkeit, stark erhöht.
Rücklicht und Warnblinker führen bei Notbremsungen ein respektierliches Spektakel auf
Bei Bremsungen bei über 50 km/h, so wie sie bei plötzlichen Staus auf der Autobahn auftreten können, erkennt die Fahrelektronik die starke Verzögerung und schaltet kurzfristig die Warnblinkanlage an, während das Rücklicht (pulsiert?) leuchtet. Damit wir auch den unaufmerksamsten Nachfahrenden schlagartig signalisiert, das hier etwas besonderes passiert. Diese Emergency-Stopp-Signalfunktion genannte Funktion aktiviert auch die vorderen Blinker und schaltet sich automatisch ab (Auto-cancel-Funktion).
Abgerundet wird das Sicherheitspaket über eine entsprechende Radialbereifung, die konfigurierbare Honda-Traktionskontrolle und die drei ABS Varianten Road, Offroad oder - in den Benutzermodi - die Abschaltung des ABS im Geländebetrieb.
Nachtfahrten und Fahrten bei Regen verlieren dabei einiges an Risiko. Doch Vorsicht, vor dem Highsider, wenn man in der engen Kurve all zu sehr am Quirl dreht, ist man damit noch nicht gefeit. Insofern bietet die AT 1100 einiges für ihr Geld, was auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist.
Fahrwerk und Erscheinung
27.09.2021
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as Fahrwerk der ersten Africa Twin war schon 1989 bemerkenswert. Ein außerordentlich stabiler Vierkantrohr Rahmen mit straken Lenkkopf nahm die 43er Telegabel auf. Am Hinterrad eine üppig stabil ausgeführte Alu-Schwinge mit Pro-Link und Showa Federbein. Das machte den Unterschied zur Konkurrenz und das schätzten viele Fernreisende, die Millionen Kilometer mit der der Twin abspulten. Eine Besonderheit waren auch ihre weit heruntergezogenen Tankflügel und natürlich ihr 'echter' V-Motor. 24 Liter Sprit ermöglichten allerdings mit 50 PS auch nur eine Reichweite, wie sie heute Enduros mit 16-Tank erreichen. Die Ur-Africa Twin sah einfach so aus, als käme sie direkt von einer Rallye. Doch dafür war sie in der zivilen Verkaufsversion etwas zu schwer geraten. Die Leergewichte der 1900er Africa Twins lagen zwischen 220 und 236 Kilo.
Ur-Africa Twin XRV 650 R von 1989
Die 1100 Africa Twin gibt sich was das Fahrwerk angeht keine Blöße. Hier wird mit im Vergleich zur 700er Yamaha üppigen Federwegen operiert und auch das elektronische einstellbare Fahrwerk fehlt nicht. Das gibt auf Reise und zu Zweit mit wechselnden Beladungen viel Sicherheit. Ebenso wie die Traktionskontrolle, die eine nasse Wiese ebenso entschärft, wie sie den Reifenverschleiß im Zaum halten kann.
Der Motor kommt dabei immer bullig daher - nicht so feinfühlig wie ein Vierzylinder - aber dafür machen zwei 550er Zylinder mit Hubzapfenversatz auch mächtig Spaß: Der Motor zieht sich ab knapp über 2000 U/Min auch im 6. Gang immer wieder nach oben, ohne all zu unangenehm zu hoppeln. Zu den Fahrprofilen Schotter, Offroad, Tour und Stadt lassen sich global immer die Wheely-Kontrolle Federvorspannung und die Traktion individuell (global für alle Settings geltend) einstellen. Individuell können zwei Benutzerprofile abgestimmt werden, hier kann Gasannahme und Motorbremswirkung noch extra eingestellt werden. Wer das vorher mal testen will, kann sich im Internet an einem von Honda bereitgestellten Simulator schon mal daran probieren.
In der Tradition der Africa Twins sind bei dem aktuellen Modell ein Motor Aluschutz, Handprotektoren und eine Gepäckbrücke im Preis inbegriffen. Dazu gehören auch TFL, Griffheizung und die geschaltete Bordsteckdose. Was Zubehör oder beispielsweise das von Givi produzierte 39l-Alukoffer-Set kostet, kann man schnell im Konfigurator nachschlagen (1361 Euro). Hier kommen zum Listenpreis von 16.600€ schnell noch ein paar tausender für Reiseausstattung hinzu.
Das Elfhunderter Update
24.9.2021
An der Ahr gibt es klimabedingt gerade eine Menge Offroad Pisten. Die Menschen fassen wieder Hoffnung, die private Hilfsinitiative ist immens. Mit der Africa Twin CRF 1100, quasi die derzeit noch aktuelle, ging es von Frankfurt an die Ahr und zurück nach Hannover. Vor Ort: Regen, Schmutz, Matsch, Pisten, aber auch Sonnenschein und Solidarität. Als ich von der F 800 GS umsteige, und so ist das jedes mal, merke ich, wie anders dieses Motorrad ist. Man fühlt sich schnell zu Hause auf der Twin und Multifunktionsdisplay und die Vielzahl der Lenkerarmaturen samt Schalter wirkt erstmal erschlagend.
Die erste Überraschung ist die Sitzposition mitten im Motorrad. Der große Tank spreizt die Beine etwas mehr, so wie ich mir das bei der XLV 750 R immer vorgestellt habe. 2. Überraschung der sehr gute Windschutz schon in der niedrigsten Stellung der Scheibe. Mit wird schnell klar: Das ist ein Reisedampfer der Superlative. 4 Stunden später an der Ahr: immer noch entspannt und breit grinsend.
Honda scheint es geschafft zu haben anzuknüpfen, doch zu eine neuen Legendenbildung gehört noch mehr. Genau das will ich die nächsten Tage herausbekommen.
Kommentare zum Test
Kommentar von Frank |
Testblog Honda Africa Twin CRF 1100 F ?
Ich glaube Du meintest die CRF 1100 L ...
Antwort von Markus Golletz
Frank,
auf jeden Fall die Adventure Sports Variante!