Geschichte der Eilenriederennen in Hannover 1924-1955

Internationales Motorrad-Rennen in Hannovers Stadtwald

Bis zu 150 000 Zuschauer kamen zwischen 1924 bis 1955 zum ,Eilenriederennen' nach Hannover. Grund war die Begeisterung für dieses stetig wachsende Motorsportereignis, bei dem man auf öffentlichen Straßen mit Durchschnittstempi (!) von bis zu 140 km/h durch die Stadt fuhr.
Janet Anschütz ist Historikerin (Regional- und Zeitgeschichte) aus Hannover und realisierte dieses Buch nach vierjähriger Recherche.

Zustande kam ein beinahe wissenschaftlicher (und trotzdem unterhaltsamer) Band mit vielen Originalfotos und zahlreichen Interviews mit Zeitzeugen und Beteiligten, von denen 10 im Buch abgedruckt sind. Darunter auch eines mit Firmengründer Detlef Louis aus Hamburg, der erzählt, wie er mit 12 Jahren sein erstes Motorrad kaufte und später ohne Nummernschild mit einer Rennmaschine von Hamburg nach Hannover zum
Eilenriederennen fuhr.

Für Janet Anschütz, die selbst Motorradfahrerin ist, war der Weg zum Buch ein langer: hohe Ansprüche an Recherche und Nachweisbarkeit aller im Buch genannten Begebenheiten sind gerade für eine Historikerin sehr zeitaufwändig. Eine wichtige Rolle spielen persönliche Kontakte, ein Treffen der Eilenriede-Veteranen im Sommer 2008 und ausgiebige Archivarbeit. Bilder konnten zum Teil im Original im Internet gekauft werden oder wurden von Zeitzeugen beigesteuert. So kamen auch (Film-) Dokumente zum Vorschein, die erstmals in dem Buch veröffentlicht werden. ´Motorrad Rennsport´ ist damit die erste und einzige Dokumentation sämtlicher Eilenriderennen. Detlev Louis unterstützte das Projekt mit einem Duckkostenzuschuss.

Das Eilenriderennen war stets das erste in der Saison und war deswegen besonders attraktiv: Die Werks- oder Industrie-Teams waren mit dem neusten Material am Start, Continental und Dunlop als Reifenfirmen puschten das Event ebenfalls und boten Fahrern einen besonderen Service an.
Die Problematik der Rennen in Hannovers 650 ha großem Stadtwald war von Anbeginn zunächst die städtische Genehmigung der Veranstaltung, die immer wegen der Geräuschbelästigung und dem konträren Erholungsbedürfnis der Bürger in Frage gestellt wurde. Eine wichtige Rolle spielte auch die der Strecke für Fahrer und Publikum. Die Bilanz der 22 Eilenriederennen lautetet: 11 zu beklagende Tote.
Verletzungen gingen oft auf fehlende Sturzräume, mangelnde Schutzkleidung oder Tiere auf der Fahrbahn zurück. Auch war das Überholen deswegen extrem gefährlich und nur an wenigen Stellen möglich. Mit jedem Rennen wuchs der gefahrene Rundenschnitt, der sich von 78 Kilometer pro Stunde 1924 bis auf 140,1 km/h 1955 erhöhte. Die schnellste je gemessene Runde brachte Ernst Riedelbauch zustande, der mit sagenhaften 149,2 km/h den winkligen 4,8 km-Kurs hinter sich
brachte. So wurde aus dem amateurhaften Rennen der 20er Jahre, bei dem man mit normalen, zugelassenen Maschinen fuhr, allmählich eine Profiveranstaltung.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die Strecke zwar leicht überarbeitet und begradigt, doch Unfälle, teils schwere, kamen immer noch vor. Die Nazis missbrauchten das Rennen als Propagandaveranstaltung und investierten deswegen für prestigereiche Erfolge. In dieser NS-Zeit stand die Genehmigung des Rennens (obwohl sich in dieser Zeit die meisten tödlichen Unfälle ereigneten) nie zur Disposition. Bernd Rosemeyer siegte und wurde ein berühmter, von den Nazis aufgebauter Rennfahrer, der später bei einem Rekordversuch mit dem Auto tragisch ums Leben kam.
Die Lärmproblematik wurde durch die leistungsstarken Kompressor-Motorräder forciert. Sie trugen klangvolle Namen wie die ,Singende Säge' (hier: DKW RM 350). Zeitzeugen berichten, dass sie das Anlassen der Motorräder (teilweise morgens um 6 Uhr) noch in 8 km Entfernung (!) deutlich hören konnten. Kompressormotorräder wurden später bei Eilenriederennen nicht mehr zugelassen.
Nach dem II. Weltkrieg machte das Maschsee-Rennen 1949 den Auftakt der Nachkriegs-Renn-Ära in Hannover.

Richard Dörnke
, der Initiator der Rennen war selbst Sportleiter, Veranstalter und Sportkommissar und hatte gute Beziehungen zum Stadtdirektor, dem Polizeipräsidenten und dem Rathaus. Bis kurz vor seinem Tode 1954 führte er die Rennen mit Engagement für Publikum und Rennfahrer durch.
Das Aus für das Eilenriederennen kam nach 1955, nach dem Tode Dörnkes und nach einem Abflauen der Rennbegeisterung: die neue Mobilität durch das Automobil stand schlagartig mehr im Vordergrund, die Sicherheitsauflagen wurden verschärft und die Werksteams zogen sich zurück - das war das Ende, nicht nur vom Eilenriederennen sondern auch anderen Motorsport-Veranstaltungen in dieser Zeit.
Alle bisherigen Versuche, das Rennen wieder aufleben zu lassen, scheiterten aus ähnlichen Gründen. Zuletzt versuchte Hinrich Hinck, Veranstalter des Bremerhavener Fischerreihafenrennens, erneut ein Eilenriederennen vor den Toren Hannovers durchzuführen und scheiterte vorerst damit.

Das Buch ist für alle Rennbegeisterte und Fans historischer Rennen einen Tipp wert. Allein die beiliegende DVD mit Filmdokumenten aus der Deutschen Wochenschau lohnt die Anschaffung.

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