Antipasti und alte Wege

Piemontesische Tälergeschichten

Als „Schwarzes Loch Europas“ werden bestimmte Regionen der Westalpen gerne bezeichnet. Diese Gebiete des italienischen Piemonts gehören zu den menschenleersten Regionen Europas, ihre Bevölkerungsdichte ist geringer, als die Alaskas. Wer die Einsamkeit und weitgehend unberührte Natur zum Wandern und Motorradereisen liebt, ist hier am richtigen Ort.
Das Buch ist 2006 in einer völlig überarbeiteten und korrigierten 5. Auflage erschienen.
Wie der Buchtitel schon vermuten lässt, werden einsamkeitsliebende Genusswanderer angesprochen, denn trotz Menschenleere geht es in den Talküchen sehr kulinarisch zu. So manche ‚Agriturismo’-Übernachtung ist zwar nicht ganz billig, aber nach dem Essen sicherlich preiswert. Der rote Faden des Buches ist der Okzitanische oder auch Mairawanderweg (nach dem Tal benannt) und diese Touren sind eher für Weitwanderer konzipiert. Einige dauern über sechs Stunden ohne Einkehrmöglichkeit, kein Wunder, wir befinden uns ja schließlich im schwarzen Loch Europas.

Das Buch ist in der Wander-Reihe des Rotpunktverlages erschienen. Diese Reihe zeichnet sich durch die Vielfalt politischer und kultureller Hintergründe aus. So wird auch auf die Mussolini-Ära und die Resistenzia (Partisanen)-Geschichte der Region eingegangen. Einige von der Deutschen Wehrmacht „auf dem Rückzug“ verübten Massaker geben Erklärungsansätze, warum Deutsche bei den älteren Einheimischen nicht immer gerne gesehen werden:

Nach einem Massaker in Boves sprachen die Alliierten-Gerichte über dem verantwortlichen Obersturmbannführer zwar das Todesurteil aus, das aber nie vollstreckt wurde. Das Anliegen der Hinterbliebenen und der Gemeinde Cuneo wurde vor dem Landesgericht Stuttgart ebenfalls verschleppt, weil der SS-Mann von damals mittlerweile ein angesehener Industrieller war. 30 Jahre später wurde er an seinem Alterswohnsitz in Südfrankreich von Unbekannten umgebracht...

Etappe für Etappe werden die 12 Abschnitte des Percorso Occitani ausführlich abgehandelt. Dass es hier und da mal etwas teurer werden kann, wird durch die Aussage eines regionalen Wirtes deutlich: Er habe manchmal 16 Gäste — nicht in der Woche, sondern in der Saison!

Wie es zu der Menschenleere kam, dafür werden mehrere Erklärungsansätze gegeben: Nach einem Bevölkerungshoch im 19. Jahrhundert folgte die Phase der Industrialisierung der Täler. Die Fabbrica Italiana di Automobili Torino (FIAT) und ein größeres Michelinwerk stellten ein. Ausschlaggebend für die Land- oder besser Talflucht war dabei das Argument des bezahlten Urlaubs und natürlich die in der Regel arbeitsfreien Sams- und Sonntage. In den Tälern trifft man heute vielerorts nur noch auf alte Leute, denn auch wenn FIAT nicht mehr einstellt (in den 70er Jahren arbeiteten bis zu 285 000 Menschen im Großraum Turin bei der Automarke), gibt es kaum einen Gegentrend in der Region. Der Schönheit und Unberührtheit der Landschaft tut das keinen Abbruch. Auf den ersten Anlauf wurde das hervorragende Wanderwegenetz kaum angenommen, in Italien geht man nur ungern mehr als eine halbe Stunde zu Fuß und die klassischen Bergtouristen tummeln sich lieber in zentraleren Räumen der Alpen. Trotzdem, für den Endurowanderer entfaltet sich in der Nähe ein dichtes Militärstrassennetz. Bekanntheit erlangt haben dabei Maira-Stura- und die Varaita-Maira-Kammstraße. Eine umweltschonende Fahrweise oder auch mal eine aufmerksame Wanderung werden einem die zahlreichen Murmeltiere und die Käsebauern der Region (hier kommt der berühmte Castelmagno-Käse her) danken.

Älteste Demokratie


Der Bund von Briançon war eine der frühesten Demokratien. Die freie Republik Maira, gehörte diesem Bund an, sie war selbstverwaltet und autonom in ihrer Politik. Ein Beleg mehr dafür, dass Alpenpässe (Briançon liegt in Frankreich) eher als Verbindungs-, denn als Trennlinie gesehen wurden. Dort hatten die ‚Statuti Valmaira’ bereits Mitte des 12. Jahrhunderts Gültigkeit. Sie garantierten weit reichende Unabhängigkeit von den Feudalherren. Zum Beispiel durften öffentliche Ämter nur von Einheimischen bekleidet werden. Um deren Bestechlichkeit einzuschränken, durften sie weder Geschenke noch Zahlungen annehmen. Als Maßnahmen gegen Korruption und Spekulation wurde es unter Strafe gestellt, Lebensmittel und Futter über eigenen Bedarf zu horten. Kam es zu einer Bestrafung, mussten Vermögende das Doppelte bezahlen.

Aktualisierungen und Ergänzungen


Aktualisierungen zum Buch finden Sie hier.
Zu den wichtigsten Ergänzungen gehören überarbeitete Adressen bei den Posto Tappa, eine Aktualisierung der Preise und Internetadressen, die sich bis dahin geändert haben.

Ergänzender Literaturtipp: Werner Bätzing, Grande Traversata delle Alpi, (GTA) Der Süden 1995 (zweiter Band) Verlag der Weitwanderer Oldenburg, siehe auch
http://www.geographie.uni-erlangen.de/wbaetzing/
M.G.

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