Neck Brace Sicherheit: BMW vs. Alpinestars

Nackenstütze, Leatt-Brace, Neck Brace, BNS – alles Ausdrücke für eine 2006 auf dem Markt befindliche ‚neuartige‘ Sicherheitsausrüstung. Ein Neck Brace (NB) soll im Falle eines Sturzes mit dem Motorrad schädliche Kräfte von den Halswirbeln fernhalten. Alle Systeme leiten deswegen die über den Helm absorbierte Sturzenergie an den Oberkörper (Brustpanzer) weiter. Die Neck Brace Systeme bestehen aus einem gepolsterten Ring um den Hals und Abstützungen im Brust- (Thorax) und Rückenbereich.


Jüngst ins Gerede gekommen haben manche Hersteller die Konstruktion des NB etwas verändert. Zwar ist ein Rückgang von schweren Rückenwirbelverletzungen zu verzeichnen, doch traten vermehrt Folgeverletzungen wie Schlüsselbeinbrüche und Verletzungen tiefer gelegener Wirbel auf. Ortema geht deswegen neuerdings einen anderen Weg: Im Schlüsselbeinbereich sind im NB Aussparungen eingearbeitet und die Abstützung am Rücken ist gabelförmig gestaltet, damit das NB keine Kräfte an die Wirbelsäule ableiten kann. MR hat sich zwei unterschiedliche Systeme von BMW und Alpinestars genauer angeschaut.

BMW Neck Brace System

Das BMW Brace System (NBS) wirkt sehr durchdacht, gut verarbeitet und gediegen. BMW hat zusammen dem Erfinder Dr. Chris Leatt entwickelt, dessen Handschrift deutlich zu erkennen ist. Herausgekommen ist ein dem hauseigenen Leatt Modell (GPX Club II) nicht unähnliches NB, das es bei BMW in zwei Ausführungen gibt. Das BMW NBS kostet je nachdem, ob Carbon oder Kunststoff verwendet wurde, 395 bzw. 530 EUR und ist somit teurer als das die einfache Ausführung des Alpinestars BNS (249,95 EUR). Die beiden ‚Nackenstützen‘ haben allerdings verschiedene Ausrichtungen. BMW tritt für Offroad-Sicherheit an und konzentriert sich damit auf das Hauptklientel, die dort unterwegs sind, wo der ursprüngliche Einsatzzweck des Systems lag. Genuin für Downhill-Biker entwickelt, wurden NB bisher fast ausschließlich im Offroad-Milieu, getragen. Im Straßenrennsport haben sich zunehmend Airbagsysteme zum Schutz der Halswirbel etabliert. Trotzdem wünscht man sich, Neck Braces auch bei Enduristen und Sportfahrern öfter zu sehen.

Die Formgebung ist bei BMW und Alpinestars sehr ähnlich, BMW polstert den Kragenrand weicher und textiler, BNS ist hier offroad-gerechter aus abwischbaren Kunststoff gefertigt. Während der Verschluss bei BMW seitlich sitzt, ist der auch von Crossstiefeln bekannte Spannverschluss bei Alpinestars im Kehlkopfbereich frontal angebracht. Hochwertiger und ein wenig passgenauer kommt im jeden Fall das BMW System daher, es ist mit 800g auch 200g leichter als die normal Ausführung des BNS. Die obere Kannte des BMW Neck Bracke kann mittels 4 Schrauben in der Höhe eingestellt werden. Werksmäßig ist sie auf den sichersten, obersten Anschlag justiert. Wo kein Carbon ist, wird bei BMW glasfaserverstärkter Kunststoff verwendet, die Schaumpolster sind wegen des Komforts mit austauschbaren textilen Materialien versehen. Harmonieren tut das alles auch mit der BMW Protektorenjacke 2.

files/templatepicts/bewertung/bewertung-1-klein.png

Aufsetzen und los

Mehr Anpassungsmöglichkeiten an den Fahrer gibt es bei BMW, es gibt verschiedene Anbauteile um dem Winkel der hinteren Wirbelstütze zu beeinflussen (mit/ohne Protektorenjacke/Rückenprotektor), beim BNS kann mal den Schulterbereich unterschiedlich aufpolstern. Das BMW Neck Brace passte bei uns besser und ließ sich mit dem mitgelieferten Befestigungs-Set auch besser am Oberkörper fixieren. Mittlerweile ist auch eine Menge Endurobekleidung auf dem Markt, die für die Benutzung von NB’s vorbereitet ist: das betrifft in erster Linie die Kragengestaltung und Laschen als Befestigungsmöglichkeiten. Alpinestars, Louis Vanucci und natürlich BMW haben entsprechendes im Angebot (s.u.).

Das lästigste für den Straßenfahrer ist das Anlegen der Systeme, Cross-Fahrer sind das ‚aufrüsten‘ vor den Start sowieso gewohnt. Ist die Nackenstütze erst mal angelegt, fällt sie nur noch wenig auf – es sei denn beim Blick über die Schulter oder auf den Tankrucksack. Die Systeme sind nicht optimal für Tourenfahrer, im Sport sind sie hingegen bewährt, wenn auch nicht unumstritten. Auch wenn gefährliche Rückenmarksverletzungen vermieden werden, ist bisweilen eine größere Häufigkeit an Schlüsselbeinverletzungen zu verzeichnen. Nur mit einem optimal abgestimmten Cross-Panzer wird die Aufschlagsenergie auf den Brustpanzer abgeleitet und möglichst flächig verteilt.

Alpinestars BNS

Der Alpinestars Bionic Neck Support (BNS) kam ebenfalls in zwei Ausführungen (eine Carbon) auf den Markt und präsentiert sich hier als universelles, kostengünstiges BNS. Alpinestars in Asolo (I) hatte sich sehr viel Mühe gemacht, das BNS aus unfalltechnischer Sicht zu optimieren. Dabei kam heraus, dass die meisten schweren Verletzungen aus Stauchungen der Halswirbelsäule resultieren. BNS wurde daraufhin optimiert. Kritiker können nun behaupten, das ein NB alleine diese Verletzungen nicht verhindern könne, es müsste auch auf den Helm und dessen Abstand zum NB ankommen. Das ist nicht von der Hand zu weisen, doch vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis die gesamte Sicherheitsausrüstung abgestimmt oder aus einer Hand zu bekommen ist.

In den Alpinestars-Kollektionen 2010-2012 tauchten zumindest schon mal Endurojacken auf, die für das BNS vorbereitet sind (d.h. Aussparungen und einhängepunkte bieten). Schon der Lieferumfang erkennt man den Preisunterschied: BMW legt verschiedene hochwertige Anbauteile, wie Größen- und Längenanpassungen gleich mit bei. Bei A-Stars ist selbst ein vernünftiger Brust-Haltegurt mit Klickverschlüssen ein Sonderzubehörteil.

In der Praxis fühlen sich beide Systeme sehr gut an und behindern (durch die immanente Bewegungseinschränkung) aber kaum. Eine Spur besser sitzt (schon wegen der Befestigung) das BMW NS – es kann mit Polstern besser angepasst werden. Auch BMW hat ein Interesse, das NS auf die Straße zu bekommen.

files/templatepicts/bewertung/bewertung-2-klein.png

Fazit:

Neben Wegbereitern Leatt und Alpinestars hat auch BMW die Zeichen der Zeit erkannt, hochwertige und innovative Motorrad-Sicherheitsausrüstung anzubieten. Der Sprung vom Gelände auf die Straße wird nur nach und nach gelingen. Sport- und Endurofahrer sehen am ehesten die Notwendigkeit ein Neck Brace auch abseits abgesperrter Pisten zu benutzen. Wünschenswert wäre eine weitere Kooperation zwischen Helm-, Protektoren- und Bekleidungsherstellern, um die Sicherheitslücken zwischen diesen Elementen zu minimieren. Ob bei BMW, Alpinestars, Leatt oder Orthema: deutlich ist zu erkennen, das die Entwicklung der Systeme weiter geht, das in Zukunft in Folge von NB’s entstandene Verletzungen weiter vermindert werden. Auch sollten an allen Systemen Einschränkungen der aktiven Sicherheit (durch Bewegungseinschränkung) minimiert werden. Ob man dann zu BMW oder Alpinestars greift, bleibt dem Einsatzzweck (und dem Geldbeutel) geschuldet.

Kompatible Jacken für Neck Brace:

Weitere Neck Brace Hersteller:

Schreiben Sie einen Kommentar

Bitte addieren Sie 1 und 2.