GasGas ES 700 | Das 690er / 701er Update?
GasGas Sound
Die rote Extrem- und Reiseenduro?
Testzeitraum August-September 2024
K
ann man mit ein und derselben Enduro reisen und Motocross fahren? KTM/Husqvarna und neuerdings GasGas versuchen seit Jahren eine Antwort auf das Thema. Alle drei Motorräder kommen aus Mattighofen, sind konzeptionell fast identisch und erfreuen sich konstanter Beleibtheit. Vor 10 Jahren waren wir mit der Vorgänger KTM 690 in Marokko, mit der Husky auf dem Grenzkamm und mit der GasGas im Alltag unterwegs. Klaro: im Stadtverkehr fühlen sich Stromer wohler. Nervige Hitzeentwicklung und Geknatter im Stand, das braucht man heute nicht mehr. Sobald aber das Ortsschild naht, ist die GasGas in ihrem Element. Kommt der erste Feldweg in Sicht ist man regelrecht glücklich, denn hier gibt es kaum etwas, was nicht geht. Elektronische Helfer sind durchaus ein Sicherheitsfeature, will man nicht gleich über eine Motocrosspiste peitschen. Selbst das könnte gehen, aber mit einer zugelassenen GasGas ist man dann doch eher mit Gepäck und im Spaß (nicht Sport-)Modus unterwegs. Ist die GasGas dafür ein perfektes Bike? Das wollen wir im Test herausstellen.
Erste Bewertungen:
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1500 km GasGas
7. Konzeptvergleich
Die GasGas ES 700 hat sich als Tester und Alltagsmotorrad sehr gut gemacht. Das alles nach 10 Jahren fast unveränderten Konzept ist schon eine Leistung. Die Modellpflege an der High-Tech-Enduro ist eher sachte durchgeführt worden. Seit dem Motorupdate von 2016/17 ist fast alles andere unverändert, sieht man von TC, Kurven-ABS oder einem veränderten Motorlüfter ab. Leistungsmäßig kann vielleicht die neue Ducati Hypermotard 698 Mono dem LC 4 690er Motor das Wasser reichen, die restliche Konkurrenz ist weit abgeschlagen. So stellt die GasGas mit der Dominanz des großen Konzerns immer noch die State of the Art Enduro da die sie seit über 10 Jahren ist.
Auch haben wollen!
Wünsche bleiben trotzdem offen: Cockpit, Auspuff und Tankdeckel sind Dauer-Kritikpunkte, die Ausstattung, die viel über Zubehör und Powerparts ergänzt werden muss, da läppert sich ein ganz schönes Sümmchen zusammen. Der Ruf nach so einem Motorrad mit weniger Federweg und Sitzhöhe ist auch lauter geworden, den mit ihren 93 cm schließt die GasGas, Husky KTM 690 eine Menge Menschen aus.
So müssen wir schauen was als nächstes passiert, nur bitte macht das Motorrad nicht schwerer!
Fortsetzung folgt!
Gabel, Fahrwerk, ABS
6. ABS, Gabel, Komfort
Hier ein Detail der hochwertigen WP Gabel: Sie lässt sich in noch ein wenig 'ausfahren' wenn man die eingefrästen Nuten gleichmäßig berücksichtigt. Diese Einstellungsmöglichkeit des Fahrwerks wird oft unterschätzt, obwohl sie sich sehr stark auf die Fahrwerksgeometrie auswirken kann. Die Position der Gabelrohre verändert den Nachlauf stark. So können individuelle Wünsche oder Beladungszustände, Vorlieben für Fahrwerkseigenschaften individuell angepasst werden.
Das Fahrwerk ist ab Werk (so es niemand verstellt hat) auf guten Geradeauslauf und Härte ausgelegt und eingestellt. Auf unserer diesjährigen Ligurien Offroad Tour sagte sogar ein 701 Fahrer, das sei gar nicht so gut für 'Wald und Wiesen Enduro' eher zu sportlich. Die 30 Jahre alte, auf dem Trip mitfahrende Suzuki DR 650 SE sein komfortabler und besser geeignet für Strecken wie die Ligurische Grenzkammstraße. Das kommt natürlich darauf an, was man mit so einer GasGas anstellen will. Ihr Federweg und ihr Geradeauslauf sind schon dominant und mit der TC- /ABS-Elektronik (es ist sogar ein Kurven ABS verbaut) ist man immer auf der sicheren Seite, auch auf Schotterstrecken. Natürlich gibt es noch Modus 2, bei dem ABS und TC kaum eingreifen (vorne garnicht), aber das ist eher etwas für Fahrten ohne Gepäck. Tatsächlich: wir fahren viele Schotterpisten mit dem Modus 1. Im Modus 2 kommt man schneller vorwärts, fängt die GasGas aber auch nicht so schnell wieder ein, wenn ein Rad ausbricht. Das entscheide jeder und jede für sich selbst.
Das Kurven ABS, tja, wer probiert es aus? Zarte Versuche habe ich gemacht, habe dazu aber eine eigene Meinung: Jedes gute, fein geregelte ABS ist auch ein Kurven ABS, wobei das immer mit Vorsicht zu benutzen ist. Kein ABS macht ein Motorrad beim Bremsen 'idiotensicher', wie das Marketing gerne behutsam vermittelt. Man möge es also ausprobieren, wie die vordere Bremse auf Schotterkurven reagiert: Sie geht dann zart zur Sache und regelt schnell und gut. Einen Ausrutscher kann sie aber im Zweifel nicht verhindern oder im Umkehrschluss kommt man nicht zum Stehen oder der Kurvenradius wird immer größer. Immerhin: ein zusätzliches Helferlein, eine Verbesserung von ABS.
5. Autobahn
Der Geradeauslauf der GasGas ist stoisch, auch wenn man wie ein Surfer an der Lenkstange hängt. Das wurde mir gewahr auf der Strecke Kiel-Hannover, als ein BMW LT Fahrer mit gefühlten 160 locker entspannt an mir vorbeizog. Abgesehen davon, dass selbst im Sommer kaum noch Motorräder auf eigener Achse auf Reise auf bundesdeutschen Autobahnen zu sehen sind, wurde ich etwas neidisch. Trotzdem ist die GasGas geil: auch wenn es mühselig ist, sich gegen den Wind anzustimmen, verhält sich der Motor wie ein agiler Zweitakter auf der Autobahn: Bei 95 km im 6. Gang ist ein kleines Leistungsloch auszumachen, zwischen 120 und 140, 150 km/h setzt aber noch einmal richtig Schub ein. So kann man sich die Tristesse deutscher Autobahnen ganz gut schönreden.
Trotz hochbeinigen Fahrwerk und groben TKC 80 Conti Reifen fährt die GasGas aber immer sicher. Auch auf Längsrillen und bei leichtem Regen. Ein Tempomat, na ja, das wäre noch was, passt aber nicht zu einer Enduro dieses Schlages. Leider wirken die Lenkerarmaturen billig, ein Passing-Schalter suchen wir vergeblich, Lenkerfernbedienng des mickrigen, aber halbwegs funktionalen Cockpits suchen wir vergeblich. Außerdem wird es aus der Fahrerperspektive eh von Bremsleitungen verdeckt. Auf der BAB fallen bei all der Langeweile die Reflektoren an der Gabel auf, die von der Tankverkleidung mindestens zur Hälfte verdeckt werden. Wer das wohl abgenommen hat?
Wichtig war es, vor dem Höllenritt noch einmal alle Gepäckleinen zu überprüfen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Autofahrer auf lose Gepäckgurte etc. aufmerksam gemacht hat, oder sich vom Auspuff Endtopf ein Plastikgeruch breit machte. Also bitte Obacht!
4. Feine Unterschiede: warum die GasGas (fast) unerreicht ist
GasGas ist sicher dank KTM seiner hohen Qualitätsressourcen sicher. Das merkt man am Preis uns an vielen Details, die anders sind, als bei normalen Enduros:
Das fängt beim E-Starter an und hört beim Fahrwerk nicht auf. Beim Starter reicht ein kurzes Tippen (Startautomatik) und der Starter wird sich so lange bemühen, bis der Motor läuft. Auch der Quickshifter ist kein einfacher Zündunterbrecher, es wird auch Zwischengas beim Herunterschalten gegeben. Der Quickshifter+ greift auch auf die Drosselklappe zu. Das merkt man, wenn es mal hakt beim Schalten, und am 'Gasgeben von Geisterhand'. Auch der Rahmen und das Fahrwerk sind sowohl für die Reise als auch im multiplen Alltag gehobene Klasse. Mattighofen hat seit über einem Jahrzehnt die Nase vorne bei den großvolumigen Einzylindern. Dazu trägt auch das ganze (Rahmen-) Konzept des Motorrades bei: ein kleiner stabiler Gitterrohrrahmen (Motor als tragendes Element), ein Heck, das nur aus einem Kunststoff-Tank besteht, das alles realisiert ein Gesamtgewicht von 160 kg. Erste LC4's waren noch leichter, dann kam allerdings ABS und sonstige (Abgasrelavente) Features an Bord. Räder und Fahrwerkskomponenten spielen da auch eine Rolle, doch seit Jahren ist die LC4 Konstruktion, zum einen gleich schwer, erfüllt auch neueste Abgasnormen und kann sich gegen eine (schwächelnde) Konkurrenz erfolgreich behaupten. So erfolgreich, dass es gleich 3 LC4's unter unterschiedlichen Markennamen gibt: die KTM 690, die Husqvarna 701 und eben die aktuelle GasGas ES 700 und jeweils ihre Supermoto-Pendants. Alle LC 4 690 Motoren haben ein Sekundärluftsystem installiert.
Mappings
Die sauber abgestimmten Mappings 1 und 2 funktionieren gut für Enduro-Belange und haben jeweils auch ein dazugehöriges TC-Profil hinterlegt. Leider kann man hier von Hand nichts ändern. TuneECU und andere Programme wie der betagte Power Commander 6 von Dynojet (2008) bieten meist Möglichkeiten, die allerdings jenseits von Homologation liegen. Mapswitch ist eine Möglichkeit, ein legales A2 Mapping zu benutzen. Ältere LC4 Modelle hatten unter der Sitzbank einen Mapping-Schalter, der auch noch leistungsreduzierte Mappings und eines für Benzin mit niedriger Oktanzahl beinhalteten. Theoretisch also adaptierbar sein müssten.
Die jetzige Lösung mit den zwei Presets stellt aber auch zufrieden. Die Krönung wäre noch ein adaptives Fahrwerk, das wiederum mehr Gewicht auf die Waage bringen würde. So schätzen wir uns erstmal zufrieden und genießen das leichte Gewicht und die durch sanften Elektronikeinsatz beherrschbaren Leistungen.
3. Gepäckträger und Fußrasten
Eine Gepäckbrücke von SW Motech sollte ausreichen, um zumindest einen Packsack sicher transportieren zu können. Die Soziusfußrasten sind auch für ein Mosko moto Reckless-80 System von Vorteil. Zusätzlich haben wir noch eine Inferno-Heat von Enduristan am superheißen Endtopf montiert.
Dazu müssen am Heck einige Schrauben gelöst und 4 Löcher ø 20 durch die Verkleidungsteile gebohrt werden. Die Bohrlöcher sind auf der Rückseite markiert. Anschließend kann der Träger mit Distanzhülsen montiert werden und ist ungefähr mit 15 kg belastbar. Es passen alle Modelle für aktuelle KTM 690-, Husqvarna 701 oder eben GasGas ES Modelle. Wir benutzen das SW-Motech STEEL-RACK Gepäckträger Art. Nr.: GPT.04.439.20003/B, heute eher in der Alu-Version zu bekommen.
Ist alles montiert, dann bleibt beim Reckless 80 ein kleiner Spalt für den Tankverschluss sichtbar. Fummelig, aber irgendwie geht es.
2. Regen, Reifen, Technik, Schlupf
Regeltechnik bei Extremwetter
Starkregen: Was machen moderne Motorräder? Sie funktionieren.
Mit der Reifenwahl und der Bosch-Technik für ABS und Traktionskontrolle (TC) hat GasGas ein paar Helferlein an Bord. Die in die Jahre gekommenen Conti TKC 80 sind das schwächste Glied in der Kette. Ein Reifen ohne Silica, dafür mit guten Offroad-Eigenschaften, hält die Regelelektronik gut in Aktion.
Beim Beschleunigen auf einer unter Wasser stehenden Straße bricht das Hinterrad schon mal aus bei Mapping-Stellung 1. Das grüne Advanced Mapping wäre jetzt quasi unfahrbar, weil es ABS und TC weitestgehend abgeschaltet. Szenenwechsel: Pasch nasse Wiese, Feldweg mit zwei Autoreifen-Spuren. Der Wechsel von einer Spur zur anderen gelingt gut, selten büchste das Hinterrad aus (Mapping 1). Wieder auf Asphalt: Gas geben in regennasser Kurve: geht, leichter Rutscher, die Elektronik regelt fast in Echtzeit. Massenträgheit und Reifen sind die unbekannte, die so gut es geht, weg geregelt werden müssen. Bis auf den Ausrutscher auf der überschwemmten Straße also ein vorbildliches Verhalten, dass eine 72 PS Enduro auch bei schlechten Bedingungen fahrbar macht.
Der ABS Test steht noch aus. Mit besseren Reifen könnten auch letzte Unsicherheiten zumindest auf der Straße ausgebügelt werden können.
1. Marginale Unterschiede zum LC4-Motor mit 690 cm³
13.08.2023
D
- Der Motor ist gut im Futter und sehr leistungsstark. Mapping ein ist ausgestattet mit Traktionskontrolle und ABS und sanfterer Gasannahme. Mapping 2 (grün) ist direkter. Elektronische Helfer (ABS, TC) greifen kaum ein.
- In den runden Rückspiegeln kann man aufgrund der feinen Vibrationen ab 80 km/h nur noch schemenhaft erkennen.
- Die Conti TKC 80 Reifen sind gut fürs Gelände und halten dank Elektronik aus ausreichend auf der Straße. Doch da gibt es heute Besseres.
- An Felgen haben wir DID Dirt Star und Excel (Takasago) und an den KTMs und Husqvarnas bisher gesehen. GasGas benutzt derzeit die etwas schwereren DID Felgen (ohne Dirt Star).
- KTM, Husqvarna und Gasgas unterscheiden sich sonst nur in den Plastics und geringfügig in der Ausstattung. Instrumente, Rahmen und Motor sind gleich.