Hochgebirge am Mittelmeer
Nach der zahlreichen Veröffentlichungen über die piemontesischen und südfranzösischen Alpenregionen rückt nun ein weiteres, für Motorradfahrer sehr lohnenswertes Zielgebiet bei dem Autorenteam Bätzing/Kleider ins Visier: Die unmittelbare Grenzregion zu Frankreich am Mittelmeer. Dieser abgelegene Landstrich ist reich an gewundenen Straßen, typisch ligurischen Bergdörfern und damit an authentischen Eindrücken von den Hinterland-Liguriern. Auch wenn Motorradfahren in der Naturpunktreihe des Rotpunktverlags nicht vorkommt, inspirieren die Kleider-Bätzing Bücher auch interessierte und anspruchsvolle Motorradfahrer mit Hintergrundinformationen zu den Ligurischen Alpen.
Westalpen und die Ligurische Alpen wurden vom Alpinismus relativ spät entdeckt. Anders als in Piemont, trifft man im westlichen Teil Liguriens oft auf karstiges Gestein, das bröckelig sein kann und Wasser schnell ableitet. Damit waren die Ligurischen Alpen in einer Zeit, in der es um prestigeträchtige Erstbesteigungen ging, nicht die erste Wahl.
Im Zweiten Weltkrieg wurde in den Ligurischen Alpen Geschichte geschrieben, denn die Resistenza machte der Deutschen Wehrmacht mehr Probleme, als die aus Süditalien anrückenden Alliierten. Aber auch in vorangegangenen kriegerischen Auseinandersetzungen waren die Ligurischen Alpen stets Bestandteil wichtiger Grenzbefestigungen. Im Buch erfährt man auch Neuigkeiten über die Ligurische Grenzkammhöhenstraße (LGKS), die den Autoren nach seit 2009 gesperrt sein soll, was zumindest zu ‚weniger Verkehr‘ dort oben führt. Das hat zwar formal und temporär seine Richtigkeit, ist aber auch ein wenig Wunschdenken der Autoren. Wer genaueres wissen möchte, schaut in den Kommentaren von Alpenrouten.de nach.
Eine gute Recherche haben Werner Bätzing und Michael Kleider hingegen zur Geschichte des Ligurischen Grenzkamms gemacht: Dort hat man herausgefunden, dass der Teil der LGKS vom Balcone di Marta entlang des Monte Saccarello‘s (Pässe: Collardente, Guardia, Garezzo) bis nach Nava (41 km) Anfang der 1930er Jahre von Militärs angelegt wurde. Der nördliche Teil der LGKS hörte streckenweise auf den Namen ‚Via Marenca‘ und geht auf eine erste urkundliche Erwähnung von 1207 zurück. Diese Route führte von Limone di Piemonte hinauf zum Tenda Pass und über den Boaria zum Colle dei Signori und zweigte von dort nach Monesi und weiter zum Mittelmeer ab. Gleichzeitig war diese Straße auch als Salzstraße und Handelsweg bekannt. Das erklärt auch, warum viele Einheimischen von einer Via del Sale sprechen, wenn man Sie nach der ‚Strada ex militare Colle di Tenda‘ fragt. Orts- und Bergnamen geben ebenfalls Hinweise auf die salzige Geschichte der Saumpfade.
Alles in allem erfährt man eine Menge Hintergrundwissen über den Gebirgszug und die Kultur seiner Anwohner, ein Wissen, das man bei Exkursionen zu Fuß und auf zwei Rädern gut gebrauchen kann.
Bei der Vielzahl der Veröffentlichungen des Autorenteams bleibt anzumerken, das es in manchen Buchteilen zu Überschneidungen kommt (etwa bei ‚Praktische Hinweise für den Wanderer‘). Der Schreibstil mit vielen Schachtelsätzen und manchmal wissenschaftlichen Ansprüchen ist nicht immer so zu lesen, wie ein gut geschriebener Roman, dafür aber sehr informativ. Die Fotos im Buch sind ebenfalls gut aber eben nicht immer professionell, was dem Buch jedoch keinen Abbruch tut. In jedem Fall macht es Lust auf das Naturerlebnis Ligurien, dem mediterranen Hochgebirge am Mittelmeer.
- Karte: Die Forts am Colle di Tenda