Marmorberge der Toskana
In den Marmorsteinbrüchen von Carrara wurde Geschichte geschrieben: Michelangelo holte hier den edelsten Marmor für seine bedeutenden Kunstwerke her, es gibt kaum einen Palast auf der Welt, der nicht wenigstens ein Stück vom weiß-grau-melierten Carrara Marmor enthält.
Autor Pepo Hofstetter ist, wie er selbst sagt, kein langjähriger Kenner der Region, aber ein guter Beobachter, der mit Menschen und Natur schnell in Interaktion tritt. So erscheint der Wanderführer auf den ersten Blick für Biker ungeeignet, doch täuscht dieser erste Eindruck sehr. Wer die Apuanischen Alpen erst mal als Motorradrevier für sich entdeckt hat, der ist für jede weitere Information dankbar, die sich bietet, denn es findet sich kaum Fachliteratur in den Regalen der Buchhandlungen. Genau damit kann das Buch dienen, denn es bietet Anschauliches zu der Kultur der Marmorstädte Massa-Carrara, Colonnata oder Viareggio, weist aber auch auf den toskanischen Geheimtipp der Region Garfagnana auf der Rückseite der Apuanen hin. Die Garfagnana ist eine Traumlandschaft für Wanderer und Offroader. Sie ist bisher kaum vom ausländischen Tourismus entdeckt, hat große Gebirgsanteile und kulturelle Eigenarten, die den Abstecher so lohnenswert machen. Nur eine, dafür umso spektakulärere Route durchquert die Apuanen vom Gafagnana bis zum Thyrrensichen Meer. Sie ist übrigens im Buch 'Die schönsten Motorradtouren Norditalien' beschrieben.
Kultur und Geschichte der Apuanischen Alpen
Die Apuanischen Alpen sind ein Teil des Apennin der ganz Italien durchquert. Daran angelehnt bietet das Buch viele Themen-Specials, die auch für Biker entdeckenswertes ans Tageslicht bringen. Die sogenannte Goten Linie des II. Weltkriegs wurde von Italienfahrern sicherlich zig-fach überquert, ohne sie jedoch zu kennen. Auch hier gibt das Buch in einem ausführlichen Special Auskunft. Zwischen Massa-Carrara am Thyrrenischen Meer und Pesaro verlief südlich des Apennins ein 320 km langes Befestigungssystem der Deutschen Wehrmacht zum Schutz gegen die von Sizilien anrückenden Alliierten (Landung auf Sizilien: 9. Juli 1943). Wer einmal über den Passo della Futa zwischen Bologna und Florenz gefahren ist, wird an den Gedenkstätten beinahe zwangsläufig Zeuge der Schlachten und Massaker der Deutschen Wehrmacht.
Erfreulich ist auch, dass der Verlag den Themen-Specials ausreichend Platz einräumt. Man erfährt sehr ausführlich etwas über den Anarchismus der Marmorarbeiter und ihre Organisation, einen Aufstand der Frauen von Carrara, Michelangelos Kunstwerke aus Marmor und seine Lebensepisode in Carrara aber auch die Massaker, die die Deutsche Wehrmacht in den Apuanen (Sant’Anna) verübte. Es geht um den Lardo di Colonnata, jene kulinarische Speck-Spezialität, die sich kulturell aus dem (Kalorien-) Bedarf der Marmorarbeiter (den Mollatori und Capolizza) und deren ‚Lizzatura‘, dem Marmortransport im Steinbruch mit dem Schlitten ergibt. Originalstimmen holt der Autor von einem Hüttenwirt (Rifugio Rossi) ein. Eine Lanze wird auch für die Esskastanie als zurückgedrängte Kulturpflanze der Garfagnana gebrochen.
Auch reisepraktisch ist das Buch (wie eigentlich alle aus der Rotpunkt Naturpunkt-Reihe) bemerkenswert. Alle Touren werden vorweg mit genauer Beschreibung, Anreisemöglichkeiten, Unterkunftstipps, Kartenskizzen und Fahrplanhinweisen ausgestattet.
Fazit: Ob Wanderer oder Biker, dieses Buch liefert aktuelle und detaillierte Informationen für den Aufenthalt im touristisch so unbekannten Marmorgebirge am Rande der Toskana.