Reise-Wanderbuch: Resistenza in Piemont
Partisanenpfade im Piemont
Das neue Buch der Westalpen-Autoren Sabine Bade & Wolfram Mikuteit ist ein antifaschistisches Wander-Geschichtsbuch, das eine Reise durch die Cottischen Alpentäler, nicht nur historisch betrachtet, sehr bereichert. Was einem in den Tälern zwischen Turin, dem Colle del Nivolet und dem Monviso im Süden auf Schritt und Tritt aus der Ära der Partisanenkämpfe begegnet, was mit der Deutschen Wehrmacht im II. Weltkrieg zu tun hat, ist hier vielleicht zum ersten Mal in einem Wanderführer beschrieben. Das Buch fasst dies alles in 23 Touren – vom Stadtspaziergang durch Turin bis zur Hochtour auf über 3000 Meter - zusammen.
Erstmalig richten sich die Wanderbuchautoren –trotz ökologischer Bedenken – auch an Motorisierte. Sonst würde die Zielgruppe derer, die am Thema der Resistenza, dem bewaffneten Kampf gegen die deutsche Besatzung und den italienischen Faschismus, weiter eingeschränkt werden. So wird auch eine Fahrt über die Stradadell'Assietta mit all ihren landschaftlichen und die Resistenza angehenden Highlights beschrieben.
Der „Krieg an der Südfront“, in den im September 1943 massenhaft Italienische Partisanen eintraten, ist hierzulande nicht nur unter dem Fachpublikum arg vernachlässigt worden. „Eine neue Wehrmachtsausstellung zu diesem Thema wäre nötig“, sagt die Autorin Sabine Bade dazu und kann das als Kennerin der Region und studierte Historikerin mit Recht behaupten.
Wer mit dem Motorrad in den Cottischen Alpen, dem Susatal oder in Piemont unterwegs ist, dem liefert ‚Partisanenpfade‘ interessante Themenschwerpunkte, wie zum Beispiel die Entstehungsgeschichte der Geschütztürme auf dem Mont Chaberton oder die derzeit aktuellen Entwicklungen über den Piemontesischen Widerstand gegen das Schnellzugprojekt TAV anschaulich zusammenfassen (s.u.).
Eindeutiger Schwerpunkt des Buches ist es, auf den Spuren der italienischen Partisanen unterwegs zu sein, aufmerksamen Auges in der Jetztzeit Hinterlassenschaften dieser Phase des Widerstandes gegen den Faschismus zu erkenne oder darauf sensibilisiert zu sein. Dafür war eine Menge Recherche von Nöten, das Ergebnis ist, wie das Buch zeigt, sehr überzeugend.
An manchen Stellen wird beim Partisanenkampf (Auskämmungsaktionen) die
Rollenverteilung zwischen Wehrmacht und Waffen SS deutlich: Für barbarische
Einsätze, die mit skrupelloser Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu tun hatten
(wie die Massaker von Boves oder Cumiana), war meist die SS verantwortlich.
Mont Chaberton
Partisanenpfade beschreibt auch die Entstehungsgeschichte des Höhenforts auf dem Mont Chaberton. Einstmaliger Traum eines jeden Enduristen in den 80er und 90er Jahren, galt die 14 Kilometer lange Straße zum Sattel und zum Fort als höchster anfahrbarer Punkt in den gesamten Alpen, bis sie schließlich Ende der 90er Jahre für den Verkehr (bis auf weiteres) gesperrt wurde. Vielleicht wurde hier die Denzel Schwierigkeitsskala geboren, die hier eine glatte 5 angibt. Fertig gestellt nach 22 jähriger Bauzeit kam das Fort mit seinen 8 Meter hohen Geschütztürmen fast nie zum Einsatz. In der Mussolini Ära1927 wurde das Fort wiederbewaffnet, die Geschütztürme kamen laut der Autoren am 16. Juni 1940, 42 Jahre nach Baubeginn, zum ersten Mal zum Einsatz. Schon fünf Tage später war das so prominent gelegene Höhenfort außer Gefecht gesetzt, nur noch zwei der acht Geschütztürme waren nach Treffern der Französischen Briançoner Einheiten funktionstüchtig. Seit dem Friedensvertrag von 1947 liegt der Gipfel des Mt. Chaberton auf französischem Territorium.
No TAV – auch eine Form der Resistenza?
Im Susatal haben seit geraumer Zeit die grenzübergreifenden Arbeiten an einer Hochgeschwindigkeitstrasse der Route Lyon-Turin begonnen, gegen die sich extremer Widerstand regt. Das relativ alte (Planung 1989) und kostspielige Projekt soll nun durchgepeitscht werden, obwohl Italien pleite ist und sich kaum eines, der durch veraltete Gutachten abgesicherten Ziele verwirklichen lässt. Entscheidend scheinen hierfür der Bauwirtschaft ausschließlich die zugesagten EU-Zahlungen, von denen viele italienische Firmen profitieren würden. Im Juli 2011 kam es zu ersten harten Auseinandersetzungen zwischen TAV Gegnern und den zur Baustelle beorderten Italienischen Gebirgsjägern. Die EU hatte eine Frist für den Baubeginn gesetzt, von der weitere Fördergelder abhängig sind. Beim Tunnelbau der TAV-Stecke müssen große Mengen von gesundheitsschädlichem, asbesthaltigem Gestein bewegt werden. Vermutlich werden Baustelle und Protest so lange weitergehen, bis alle Fördergelder ausgegeben sind. Dann verlieren in Italien oft auch die Offiziellen ihre Motivation. Als Zeitzeugen bleiben meist moosbewachsene Bauruinen zurück.
Es liegt nahe, das die Autoren vielleicht für das Südpiemont (Monviso bis Marguareis) oder das Aostatal noch einen weiteren Band dieser interessanten Reihe nachschieben.
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